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Freitag, 1. Mai 2015

VERLOREN – GEFUNDEN, Folge II - Die Bücher MOHWEL, Erste neue Lieferung, Teil 2 (2000)


Danach wurde die Herausgabe der Zeitschrift eingestellt. Theodore zog in besagtes Einzmmer-Appartement und MOHWEL verschwand für einige Jahre. Gelegentlich tauchte er an mehreren Orten zeitgleich auf: aus Vina del Mar meldete der regionale Radiosender, das er ein neues Fischrestaurant eröffnet hat, während er mit nordhessischen Geschäftsleuten in der Oper von Bebra gesehen worden sein soll. Böse Zungen behaupteten, er wäre ein Produzent für SNUFF-Videos. 

Die anderen  Figuren der Bücher: sind sie auch geflohen? Ich habe ihre Namen vergessen. Nur an einige erinnere ich mich noch: Theodor Fontane, Heinrich Schiff, Abdullah Eisenhut? Haben sie geheiratet und Kinder gezeugt? Einfamilienhaus im Grünen mit Golden Retriever, Klavierschule, Öko-Test-Abbonement und Wildblumenwiese? Bim und Bam sind 1992 in die Kameradschaft Adelebsen eingetreten. Das wundert mich nicht. Sie waren schon damals nicht sehr selbstbewusst und hatten einen Hang zu radikalen Lösungen. Bam verbrannte sich selbst vor dem Bundesverfassungsgericht und Bim fuhr daraufhin nach Walhalla. Abdullah Eisenhut eröffnete 1993 ein Feinkostgeschäft in der Fussgängerzone von Siegen und schrieb an die Schaufenster: “NICHT FÜR TÜRKEN UND DEUTSCHE; NUR FÜR MOHWELIANER!”. Das Kreisblatt Siegen schrieb dann in seinen lokalen Nachrichten: “Feinkostgeschäft in der Universitätstrasse eröffnet. Aber was sind Mohwelianer”? 

Man kann sich denken, das niemand darauf in dieser Stadt, deren Höhepunkt die Kreissparkasse darstellt, eine Antwort wusste. Weder Professor Karl Riha von der Universität Gesamthochschule Siegen, der einen Freundschaftskreis der Schmidtianer gegründet hatte noch sein ihm nahestehender Publikationsfreund Professor Dr. Siegfried J. Schmidt. Diese beiden sprachwissenschaftlichen Koryphäen, gewohnt sich in abseitigen Wissenschaftsgebieten zu bewegen, motivierten eine Gruppe von Studenten der Sprachwissenschaft, Erkundungen über das System und Verhalten der
MOHWELIANER einzuziehen. Dieser Feldforschungs-Versuch dauerte etwa ein Jahr. Danach konnte man folgende Informationen in der Universitätszeitschrift “SIEGENER SÄULEN” veröffentlichen, die folgenderweise gegliedert waren:“DIE MOHWELIANER - Vorbemerkungen, Gründung der Sekte, Erscheinungsbild der Mitglieder, Philosophie, Publikationen.” 

Das Gründungsjahr war etwa 1182, als Probst Bodo nach Niedersachsen aufbrach, um dort in einer kleinen Gemeinde ein Augustinerkloster zu bauen. Das Synonym für Probst Bodo war MOHWEL, aber die Historiker sind sich nicht einig, woher dieser Name stammt. Einige glauben, das der wahre MOHWEL Augustinus persönlich war, aber das sind nur vage Hypothesen: ebenso wie es sich nicht restlos beweisen lässt, das der Homo sapiens einen Genozid and den Neandertalern beging.

Wahrscheinlicher ist es, das die MOHWELIANER die Cro-Magnon-Menschen auslöschten. Die Höhlenmalereien hielten sie für die Werke katatoner Schizofrener, die kurzzeitig aus ihrer langen Lethargie erwacht waren. Probst Bodo wusste noch von diesem frühen Holocaust und glaubte, das vor etwa 20000 Jahren parallel zu der Jäger- und Sammlerkunst die ersten Serien von Ikonen entstanden. Gott war noch als Person erkennbar: er war gross, blass, haarlos und trug ein Kleid aus hellem Ziegenhaar. Man kann sich bei diesem Abbild vorstellen, das die zeitgenössischen MOHWELIANER leise und langsam sprechen. Die Gesten waren immer dissoziativ zu dem Sinn der Worte. In der Publikation folgte dann eine lange Abhandlung über das Geschlechtsleben dieses Volksstamms, über Inzuchtpraktiken, die uns hier aber nicht weiter interessieren. 

SCHNITT. Universitätsstrasse Siegen, Dezember 1992. Lesung im Feinkostgeschäft Abdullah Eisenhut. Der Inhaber stellt seine neuesten Kindheitserinnerungen vor: “In der Art, wie mein früherer Klassenlehrer Hans Banse einen Apfel schälte, lag der ganze Nationalsozialismus seiner Generation. Sein Sohn lebte nackte im Wald. Man fand ihn nicht sofort. Die Jäger der umliegenden Gemeinden hatten Schwierigkeiten, die Jagt auf Hans Banses Sohn zu koordinieren, da einige ihre Fake-Handys mit ihren tatsächlichen Mobiltelefonen verwechselten.”

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