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Donnerstag, 28. Januar 2016

"wir sind der pöbel..."

Abb. aus: herman de vries, ali baba visits marrakech

„wir sind der pöbel“ oder: ein deutscher text in arabischer sprache.   (alle kursiven wörter sind arabischen Ursprungs)

wo, fragt sich der arabische admiral in seinem auberginefarbenen sakko, kann ich mich besser massieren lassen, auf einem sofa oder auf einer matratze? aber vorher will ich noch eine tasse  bohnenkaffee zu mir nehmen. er betritt eine konditorei. er nimmt seine mütze ab, stellt seinen koffer mit der gitarre neben den tandur & trinkt erst eine limonade & ein soda. dann erst einen mokka mit viel zucker. zum schluss noch einen kümmel & eine zwetschge. dazu  etwas marzipan. auf dem lackierten ebenholztresen sitzt ein papagei & sagt dauernd ‚hadschi! hadschi!‘. matt wie eine mumie verlässt er das café wieder. vor der tür wächst unter einer hohen  lärche spinat, boretsch, estragon, ingwer & safran. – oder hat er wegen des alkohols eine art fata morgana? er sieht auch plötzlich orangen rumliegen & aprikosen, artischocken, zibeben! – eine fanfare weckt ihn aus seinen träumen auf. er hatte nämlich zusammen mit dem alkohol auch haschisch zu sich genommen. seine schritte unter seinen kamelfarbenen gamaschen sind wie auf watte.


hartmut geerken

Sonntag, 17. Januar 2016

Omniverse im Voodoo Altar


die erste ausgabe meines buches 'omniverse sun ra' (1994) hat sein ihm zustehendes magisches environment gefunden. entdeckt anlässlich der gerade zu ende gegangenen haitianischen 'ghetto biennale' im gemenge eines voodoo altars, just in dem moment, in dem nach über zwanzig jahren die zweite auflage dieses buches, grosszügig erweitert in bild & text, auf den markt gekommen ist, in hongkong hergestellt, in london (artyard) verlegt.

in der haitianischen zeitschrift 'port-au--prince & around' stand folgender artikel: "there are a few stories that you might hear in port-au-prince: that sun ra lived here on and off for a few years in the 1960s. that he owned a gingerbread house that you now can stay in, or maybe it's a restaurant you can eat at. he stayed in quite a few other places.... he compost 'rocket number nine take off for the planet venus' in port-au-prince. he signed a photo of himself that now graces the walls of a local restaurant. he wanted to adopt a haitian boy. he sired various children. he shard a room with graham greene...."

(hartmut geerken)

https://www.facebook.com/ArtYardRecords/

Donnerstag, 14. Januar 2016

Tatortskizze für einen Roman...

Visuelles Gedicht von Cristian Forte

Cuadro de situación para una novela
dedicada a un agente editorial

                                               
                                                                                                            a Pablo Katchadjian


escribo vestido de escritor

– vestido -
croto y fresa                a la vez
veo
y en
todo lugar encuentro
            un lugar del crimen

esta obra de arte promete actuar contra
la criminalidad vacilando a la industria de editores,
pero la criminalidad
es su desarrollo económico, porque el desarrollo
económico
no es ya otra cosa que criminalidad

estas palabras no son mías
estas palabras me fueron dadas por fuerzas
aéreas

también amplifico altura de hojas,
(a partir de ahora hablaré solo
para mis traductorxs)

al desvestirme
EMBISTO AL COMPLETO HUÉSPED
DEL OTRO
que sale de mi ropa
y se queda sin ganas
saltando a mi lado
de un otro al lado

„ hermano,  si tengo un hijo vos vas a ser el padrino
y además, ando con una idea fija. Voy a comprar tierras
en Catamarca. Tengo plata. Vos vas a ser el padrino de
mi hijo y después vamos a crear una secta. “

Estos son los cuatro
estados de la Materia:


1 – peronismo de derecha
2 – peronismo de izquierda
3 – peronismo de centro
4 – peronismo este



yo dormí durante un año
en una carpa
            en el jardín de una familia
australiana – ajeno
yo aprendí a cocinar ahí en
microondas – y en las noches
 escribía emails a mi hija
 en india – y
en mi país me decían todavía:
Sergio
me recordaban a lo ajeno
yo, hijo de Ramón Nonato

yo manejaba un bus de chicos
discapacitados en Kings Cross

y cuando tenía cerca el camión de la basura
 sentía que los dos tíos podían venir a levantarme
 para dejarme adentro del cono metálico

luego escribia en mi cuaderno:

„el sol es un físicoculturista“

soy un imbécil
soy un imbécil
soy un imbécil
pero en su gesto
                                                 un final posible:

 - mis sentimientos corren a la velocidad
de un paisaje marino -

este arte es estar
simulando un oficio
que me da  ganas

un mundo gestual que da  la vida y un mundo
material que lo manifiesta -


---       

Cristian Forte

Ago. 2015 Berlin           



Tatortskizze für einen Roman, einem Verlagsagenten gewidmet.

                                                                                                für Pablo Katchadjian


ich schreibe gekleidet als Schriftsteller

– gekleidet –
clochardhaft und glamourös  zugleich
ich sehe
und finde
an jedem Ort den
            Tatort eines Verbrechens

dieses Kunstwertk verspricht vorzugehen gegen
kriminelle Machenschaften, indem es der Verlagsindustrie spottet,
doch die kriminellen Machenschaften
sind längst ihre wirtschaftliche Entwicklung geworden, denn die wirtschaftliche
Entwicklung
ist ja nichts anderes mehr als kriminell

diese Worte stammen nicht von mir
diese Worte kamen zu mir durch die Luft
Waffe

zusätzlich verstärke ich die Höhe der Blätter,
(von jetzt an spreche ich nur noch
für meine Übersetzer)

während ich mich entkleide
ERSTÜRME ICH DEN VOLLENDETEN GAST
DES ANDEREN
der meinen Kleidern entsteigt
und ohne Lust/Gewinn
neben mir springt
von einer anderen zur Seite

„Wenn ich ein Kind bekomme, wirst du, mein Bruder, der Pate und außerdem habe ich einen festen Plan. Ich werde Land kaufen in Catamarca. Ich habe Geld. Du wirst der Pate meines Kindes und danach gründen wir eine Sekte.“

Dies sind die vier
Stadien der Materie:

1.    Peronismus der Rechten
2.    Peronismus der Linken
3.    Peronismus der Mitte
4.    Östlicher Peronismus

Ich habe ein Jahr lang
in einem Zelt geschlafen
            im Garten einer australischen Familie
australisch – als Fremder
ich lernte dort in einer Mikrowelle
zu kochen – und nachts schrieb ich E-Mails an meine Tochter
in Indien – und
in meinem Land nannte man mich noch immer:
Sergio
man erinnerte mich an das Fremde
ich, Sohn des ungeborenen Heiligen Ramón Nonato

ich lenkte einen Bus voller
behinderter Kinder in Kings Cross

und wenn sich der Laster der Müllabfuhr näherte,
hatte ich das Gefühl, die beiden Typen könnten mich nehmen
und ins Innere des metallenen Zylinders befördern

daraufhin schrieb ich in mein Heft:

„die Sonne ist ein Bodybuilder“

ich bin ein Dummkopf
ich bin ein Dummkopf
ich bin ein Dummkopf
aber in seiner Geste
                                    ein mögliches Ende:

– meine Gefühle laufen in der Geschwindigkeit
einer Meereslandschaft –

diese Kunst besteht darin,
ein Gewerbe vorzutäuschen
das mir Lust/Gewinn verschafft

eine Gebärdenwelt, die Leben spendet und eine materielle
Welt, die sie darstellt –


---
Cristian Forte

August 2015 Berlin

Übersetzung: Christiane Quandt

Blog von Cristian Forte

Sonntag, 3. Januar 2016

vom ‚accidental shooting‘ zum ‚lohnhobeln‘

Famoudou Don Moye

in der zeit zwischen weihnachten & neujahr 2015/16 waren mein freund & mitmusiker famoudou don moye, perkussionist des ‚art ensemble of chicago‘, & seine frau dominique germain bei uns in wartaweil. während dieser tage fuhren wir mit dem zug nach bad staffelstein. warum ausgerechnet nach bad staffelstein? dazu folgende geschichte: moyes vater trat nach ende des zweiten weltkriegs als 22jähriger in die amerikanische armee ein & wurde mit der 3511th quartermaster truck company, bestehend aus unbewaffneten afro-amerikanern nach dachau geschickt. dort kamen sie in kontakt mit zwei sehr abgemagerten polnischen kz-insassen, nahmen diese bei sich auf (was natürlich in der amerikanischen armee illegal war) & päppelten sie auf. die beiden, salomon & peewee genannt, waren schliesslich wie freunde dieser schwarzen soldaten & blieben über ein jahr bei ihnen. von dachau wurde die kompanie nach bad staffelstein versetzt. die schwarzen soldaten wurden allgemein viel schlechter behandelt als die weissen. sie hatten ihre eigenen, primitiveren camps & ihr essen war wesentlich schlechter als das der weissen soldaten. nach kriegsende waren nahrungsmittel nicht nur für die deutsche bevölkerung knapp, sondern auch für die soldaten, besonders für die schwarzen. die situation eskalierte eines tages, es war der 27. mai 1946, die schwarzen revoltierten & traten in einen hungerstreik. was genau geschah, weiss man bis heute nicht, aber am ende soll es hundert verletzte & vierzig tote soldaten gegeben haben. die militärpolizei erschoss die eigenen soldaten, wahrscheinlich wegen widerstands gegen die staatsgewalt. einer der toten war moyes vater. er wurde im alter von 23 jahren nach ende des 2. weltkrieges in bad staffelstein erschossen, als sein sohn grade drei tage alt war! - in bad staffelstein fanden wir dank der rührigen museumsdirektorin & archivarin heidi waschka ein fotoalbum & einen ordner mit unterlagen zu dieser quartermaster truck company. sie erinnerte sich, dass sie vor acht jahren auf dem dachboden des museums einen ordner mit der rückenbeschriftung ‚amerikanische besatzung 1946‘ gesehen hatte. diesen ordner konnte sie zwischen vielen anderen materialien von zuunterst herausfinden. in dem monatsbericht des kommandanten dieser truck company an die vorgesetzte behörde war nach diesem riot nichts verzeichnet von einem aufruhr, sondern es war sogar unnötigerweise erwähnt, dass von keinem nennenswerten vorkommnis zu berichten sei. dummerweise lag aber kurz nach diesem riot in den amerikanischen akten die rechnung des säge- & hobelwerks gebrüder rupp im nachbarort lichtenfels über das ‚lohnhobeln‘ von 279 qm brettern, adressiert an die 3511th quartermaster company. wofür hätte diese menge bretter sonst dienen sollen als für särge? – in der todesmitteilung des headquarters an die witwe wurde als grund für das ableben ihres mannes ‚accidental shooting‘ genannt! -  wir fanden bei unserem besuch in bad staffelstein mit hilfe von frau waschka auch den platz, wo die schwarzen soldaten gecampt haben. das war hinter dem ‚teibhaus‘, einer stillgelegten wirtschaft. dort habe ich mit einem suppenlöffel unserer dortigen ferienwohnung ein minigrab gegraben, wobei eine zum winterschlaf verkapselte helix pomatia zum vorschein kam, die ich vorsichtig beiseite legte. moye legte erst einen flachen stein in die grube, dann einen seiner metallarmreifen mit einer karte & seinem foto. daneben positionierte ich die weinbergschnecke, gewissermassen als wächter. dann bedeckten wir alles wieder mit erde & laub. dominique stellte eine brennende kerze auf, sigi steckte eine vogelfeder neben die kerze & ich legte einen zweig mit leuchtend gelben(!) beeren auf das ‚grab‘. zum schluss zog ich zur überraschung aller noch ein piccologläschchen aus der tasche & begoss die stelle mit sekt. vom rest hat jeder von uns noch einen schluck abbekommen.

hartmut geerken