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Sonntag, 3. Januar 2016

vom ‚accidental shooting‘ zum ‚lohnhobeln‘

Famoudou Don Moye

in der zeit zwischen weihnachten & neujahr 2015/16 waren mein freund & mitmusiker famoudou don moye, perkussionist des ‚art ensemble of chicago‘, & seine frau dominique germain bei uns in wartaweil. während dieser tage fuhren wir mit dem zug nach bad staffelstein. warum ausgerechnet nach bad staffelstein? dazu folgende geschichte: moyes vater trat nach ende des zweiten weltkriegs als 22jähriger in die amerikanische armee ein & wurde mit der 3511th quartermaster truck company, bestehend aus unbewaffneten afro-amerikanern nach dachau geschickt. dort kamen sie in kontakt mit zwei sehr abgemagerten polnischen kz-insassen, nahmen diese bei sich auf (was natürlich in der amerikanischen armee illegal war) & päppelten sie auf. die beiden, salomon & peewee genannt, waren schliesslich wie freunde dieser schwarzen soldaten & blieben über ein jahr bei ihnen. von dachau wurde die kompanie nach bad staffelstein versetzt. die schwarzen soldaten wurden allgemein viel schlechter behandelt als die weissen. sie hatten ihre eigenen, primitiveren camps & ihr essen war wesentlich schlechter als das der weissen soldaten. nach kriegsende waren nahrungsmittel nicht nur für die deutsche bevölkerung knapp, sondern auch für die soldaten, besonders für die schwarzen. die situation eskalierte eines tages, es war der 27. mai 1946, die schwarzen revoltierten & traten in einen hungerstreik. was genau geschah, weiss man bis heute nicht, aber am ende soll es hundert verletzte & vierzig tote soldaten gegeben haben. die militärpolizei erschoss die eigenen soldaten, wahrscheinlich wegen widerstands gegen die staatsgewalt. einer der toten war moyes vater. er wurde im alter von 23 jahren nach ende des 2. weltkrieges in bad staffelstein erschossen, als sein sohn grade drei tage alt war! - in bad staffelstein fanden wir dank der rührigen museumsdirektorin & archivarin heidi waschka ein fotoalbum & einen ordner mit unterlagen zu dieser quartermaster truck company. sie erinnerte sich, dass sie vor acht jahren auf dem dachboden des museums einen ordner mit der rückenbeschriftung ‚amerikanische besatzung 1946‘ gesehen hatte. diesen ordner konnte sie zwischen vielen anderen materialien von zuunterst herausfinden. in dem monatsbericht des kommandanten dieser truck company an die vorgesetzte behörde war nach diesem riot nichts verzeichnet von einem aufruhr, sondern es war sogar unnötigerweise erwähnt, dass von keinem nennenswerten vorkommnis zu berichten sei. dummerweise lag aber kurz nach diesem riot in den amerikanischen akten die rechnung des säge- & hobelwerks gebrüder rupp im nachbarort lichtenfels über das ‚lohnhobeln‘ von 279 qm brettern, adressiert an die 3511th quartermaster company. wofür hätte diese menge bretter sonst dienen sollen als für särge? – in der todesmitteilung des headquarters an die witwe wurde als grund für das ableben ihres mannes ‚accidental shooting‘ genannt! -  wir fanden bei unserem besuch in bad staffelstein mit hilfe von frau waschka auch den platz, wo die schwarzen soldaten gecampt haben. das war hinter dem ‚teibhaus‘, einer stillgelegten wirtschaft. dort habe ich mit einem suppenlöffel unserer dortigen ferienwohnung ein minigrab gegraben, wobei eine zum winterschlaf verkapselte helix pomatia zum vorschein kam, die ich vorsichtig beiseite legte. moye legte erst einen flachen stein in die grube, dann einen seiner metallarmreifen mit einer karte & seinem foto. daneben positionierte ich die weinbergschnecke, gewissermassen als wächter. dann bedeckten wir alles wieder mit erde & laub. dominique stellte eine brennende kerze auf, sigi steckte eine vogelfeder neben die kerze & ich legte einen zweig mit leuchtend gelben(!) beeren auf das ‚grab‘. zum schluss zog ich zur überraschung aller noch ein piccologläschchen aus der tasche & begoss die stelle mit sekt. vom rest hat jeder von uns noch einen schluck abbekommen.

hartmut geerken



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