Translate

Mittwoch, 24. September 2014

Victor Günthert

Links: Saxifraga granulata.
Rechts: Saxifraga paniculata

Für die deutsche Buchkunstszene war er einer der großen Sammler, der sich auf dem Gebiet der bibliophilen Bücher des 20. Jahrhunderts spezialisiert hatte. 
Er selbst eine äusserst distinguierte Erscheinung, groß gewachsen, buschige Augenbrauen, ein neugieriges und waches Wesen.

Zu jeder Frankfurter Buchmesse gehörte er zu der kleinen Schar von Privatsammlern, zu denen die Künstlerbuch-Verleger eine familiäre Beziehung aufbauten. Vor einigen Jahren verabschiedete er sich dann, zog sich mehr und mehr von der Szene zurück.

Ich erinnere mich gut an einen privaten Besuch bei ihm in München-Schwabing. Er zeigte mir einen Teil seiner Sammlung: die heute wertvollen Bücher der Cranach-Presse von Harry Graf Kessler und der Bremer Presse von Willy Wiegand. Sowohl die Cranach- wie auch die Bremer Presse gehören heute zu den herausragenden bibliophilen Erzeugnissen, die sich am Anfang des 20. Jahrhunderts gegen die industrielle Buchproduktion wendeten.

Victor Günthert war aber nicht nur ein Spezialist der Bibliophilie; er sammelte auch zeitgenössische Künstlerbücher, die andere Präferenzen als Satz, Druck, Typografie, Einbandgestaltung oder Papierauswahl hatten. Zu ihnen gehörten auch die Künstler der Burgart-Presse von Jens Henkel, Felix Martin Furtwängler oder Ottfried Zielke. 

Zu einem Privatsammler kommt man nicht mit leeren Händen. Also hatte auch ich Künstlerbücher dabei. Nach Kaffee, Kuchen und Gesprächen über alpine Gärten packte ich meinen Bauchladen aus. Er schaute sich alles aufmerksam an, fand es großartig und meinte dann: „Hätte ich Sie einige Jahre vorher kennen gelernt, hätte ich alles von Ihnen gekauft. Nun bin ich aber zu alt, um dort noch einzusteigen.“ Das Fatale daran war, dass er einfach die Wahrheit sagte. Es war keine Strategie von ihm, keine Entschuldigung oder ein fragwürdiger Trost für mein misslungenes Geschäft. 

In den letzten Jahren war er mit der Katalogisierung seiner Sammlung beschäftigt. Leider ist das etwas, was viele Privatsammler immer tun wollen, es hinausschieben und dann vorher sterben. 

Auf der Buchkunst Weimar im letzten Jahr erschien Victor Günthert überraschend, sprach lange mit vielen Herausgebern und erwarb hier und da etwas. Ich sollte ihm in Mai besuchen, wenn ich in München sein würde. Also rief ich ihn im Mai diesen Jahres an. Da war er zu dem angegebenen Termin in Hamburg. Jetzt fahre ich im November wieder nach München und dachte daran, ihn zu besuchen, bis Cornelia Göbel, die Frau des Privatsammlers Reinhard Grüner anrief und mir mitteilte, dass Victor Günthert am 17. September gestorben ist. 


(H.A.)

Dienstag, 16. September 2014

Ur, Uhr, Ur-Uhr?

Apple Watch, Revision 2 oder 3?
„But there will be something, or several somethings, that will cause it to be misunderstood by those who are only able to frame new creations in the context of what came before them. Apple’s watch won’t fit in an existing mold. It won’t be a phone on your wrist. It won’t be a watch as we know it. We already have excellent phones. We already have excellent watches. For the Apple watch to be worth creating, it must be excellent at something else.“
Daring Fireball
Ich verstehe Apples neue Smartwatch nicht. Ist das eine Uhr? Ist das keine Uhr? Ist das mehr als eine Uhr? Und wozu soll sie gut sein? Zur Selbstoptimierung? Als kleiner Bruder des iPhones? Was mache ich damit? Mich benachrichtigen lassen, dass ich eine E-Mail erhalten habe, obwohl die gleiche Benachrichtigung auch 25 cm weiter signalisiert wird?- auf meinem iPhone, ohne das die Apple Watch gar nicht funktioniert. Und wenn ich ein Fitness-Freak und Gesundheits-Paranoiker bin, jeden Tag meine Schritte zähle, den Kalorienverbrauch registriere, Herzschlag und Blutdruck kontrolliere, so reicht die Ladung der Apple Watch doch nicht dazu aus, nachts noch meinen Schlafrhythmus zu optimieren. 
Als jahrelanger Nicht-Uhrenträger und Apple-Enthusiast fällt es mir schwer, von dieser Uhr, die keine Uhr ist, fasziniert zu sein. Sie ist nicht wasserdicht, hat kein GPS, ist vom Smartphone abhängig, hält nur einen Tag und ist ab Januar in ihrer günstigsten Ausführung vermutlich ab 350 € erhältlich. Ob der Akku dann problemlos nach einem Jahr ausgewechselt werden kann oder gleich die Uhr weggeschmissen werden muss, ist noch unklar.
Wenn schon eine Uhr, die keine Uhr mehr sein will, warum hat Jony Ive dann doch wieder eine Uhr designt und nicht einen Armreif oder ein Armband?
Zunächst scheint diese erste Revision einer Apple Watch ein Lifestyle-Produkt für Beta-Testern zu sein, die alles kaufen, was neu mit dem Apfel ist. Die Kinderwagen-Jogger mit den Beats-Kopfhörern in den trendigsten Sportklamotten. Das iPhone am Oberarm, die Apple Watch als Sports Edition am Handgelenk, 5-Tage-Bart und frisch intimrasiert.

Aber vielleicht gehöre ich auch zu jenen, die zunächst immer schimpfen und dann doch das Produkt kaufen. Nicht weil sie es brauchen, sondern weil es schön ist. 
(H.A.)

Samstag, 13. September 2014

Programmierung und Meta-Programmierung des menschlichen Biocomputers (3)


21. Ein verbundenes/unverbundenes P0 kann bewußt werden. Das heißt, getrennt von Aktivierungsprozeß. Eine Aktivierung impliziert nicht unbedingt, daß Bewußtsein vorhanden ist. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Bewußtsein und Aktivierung sind zwei getrennte Parameter. Mit anderen Worten, Programme können aktiviert werden und laufen, ohne daß man sich dessen bewußt ist. Und das ist auch gut so, denn sonst müßten wir tatsächlich jeden Schritt den wir in einem x-beliebigen P0 unternehmen. 
22. Ein bewußtgewordenes P0 kann unbewußt werden und verbunden/unverbunden bleiben. Siehe hierzu Punkt 23. 23. Verbinden/Unterbinden, verbunden/unverbunden, Identifikation/Disidentifikation (Gleichmachung/Ungleichmachung), bewußt/unbewußt, kontrollieren/kontrolliert werden, schaffen/zerstören usw. sind Variable, Parameter, die für sich genommen unabhängig, voneinander frei/neben- bzw. untergeordnet sind. Dieser hängt vom Verhältnis ab, das es zu einem selbst und zu jedem anderen P0 hat. 
24. Wird P0 gespeichert, wenn es negativ verstärkt worden ist, wirkt es in seinem Bereich (oder anders ausgedrückt, in seiner Einflußzone) so «als ob es fürs Überleben wichtig sei.» Diese Behauptung stammt direkt aus der Kindheit. 
Wenn man noch ein kleines Kind ist, steckt man den Finger in die Kerzenflamme, schreit vor Schmerz und hat von diesem Moment an bei allem, was man aus dieser Erfahrung selektiert, negative Verstärkung. Man kann im allgemeinen nehmen, was man will - Kerzen, Flammen, Hitze, Licht, die Anwesenden usw.; von da an mißt der kleine Biocomputer, was das Überleben betrifft, einem Teilbereich dieses Programms eine besondere Bedeutung zu. Als Außenstehender kann man nie sicher sagen, zu welchem Programm es gekommen ist, weil das Kind nicht mitteilen kann; man kann es nur aus seinem späteren Verhalten ableiten. 
25. Wird P0 gespeichert, wenn er positiv verstärkt worden ist, wird es in seinem Bereich für alles Lustbetonte/Vergnügliche/Spaßvolle unabdingbar. Am klarsten sieht man das am Phänomen des Sichverliebens: man bekommt von einer anderen Person eine positive Verstärkung, und eventuell wird man, was die sexuelle Befriedigung angeht, ganz von diesem Menschen abhängig, auch wenn das nicht ein sehr phantasievolles Resultat ist. Möglicherweise trifft das Gleiche auch auf die Zeit nach dem ersten Acid-Trip zu, Es wir grandios, und damit ist alles positiv verstärkt worden - man sagt folglich von diesem Moment an, Acid sei eine tolle Sache, ein Sakrament, und du ziehst damit los und versuchst das zu verbreiten und die Idee rüberzukriegen. Es ist der Vertrag mit der Chemie, der einem eine Menge positiver Verstärkung beschert hat, und von dem man möglicherweise nicht mehr wegkommt (da er notwendig ist, um in diesem Gebiet Vergnügen zu erlangen). 
26. P0 kann, wenn es neutral verstärkt worden ist, für die Integration in seinen Einflußsphären wichtig werden. 
27. Hochverstärkte Programme haben die Tendenz zu wiederholter Aktivierung und Anwendung. Wenn man die Unschuld verloren hat, will man weiterhin sexuellen Verkehr haben oder masturbieren oder was auch immer. Diese Programme sind hoch verstärkt, weil sie zufällig mit Systemen zusammenpassen, die in der eingebauten Struktur des ZNS äußerst leicht verstärkt werden. 
28. Ein Programm P0 kann ohne weiteres für lokale Zwecke angewendet werden. Der Begriff Programm bekommt hier Gesellschaft. Für die lokale Anwendung kann ein Programm als etwas Dynamisches/Statisches, als Prozeß/Nicht-Prozeß, als das. was man glaubt/nicht glaubt, definiert werden. Glauben und nicht glauben sind programmatischer Natur, und daran denkt man nur selten. Wenn man an okkulte Mächte nicht glaubt, ist man genauso fest programmiert, wie wenn man daran glaubt. Die gegenseitigen Paarungen lassen sich beliebig fortsetzen: denken/nicht denken, fühlen/nicht fühlen, handeln/nicht handeln, etwas Konzipiertres/Nicht-Konzipiertes, Wesenhaftes/Nicht-Wesenhaftes, null/unendlich, jede x-beliebige Zahl einschließlich realer, imaginärer und Hyperzahlen, Funktion/System/Struktur/Form/Substanz, real/nicht real, wahr/nicht wahr, Simulation/Nicht-Simulation, ob/als ob nicht, usw. Allgemein kann man sagen, daß jedes Konzept, jede Idee von Bedeutung, die hierunter fallen kann, ein Programm ist. Jedes P0 kann nach Belieben und persönlichem Ermessen definiert werden. Erst wenn P0 gestartet ist, kann es angewendet werden, Es handelt sich hier um nichts anderes als um einen Satz von Anweisungen, um selbst anfangen zu können. In der Provinz des Geistes ist das nur ein Teil der Instruktionen zur Navigation und Steuerung. 
29. Jedes psychoaktive chemische Mittel kann als P0 agieren. Es ist wichtig, daß wir Unterscheidungen treffen. die manche Leute gewöhnlich vergessen, wenn sie in den Tank gehen. Es kann vorkommen, daß manche Leute sagen:«Dieser Tank ist wirklich eine tolle Sache», weil sie das Buch, Programming and Metaprogramming in the Human Biocomputer, gelesen haben, und schon wird dem Tank ein Programm aufgedrückt.«Ich werde das gleiche im Tank machen wie John Lilly», sagen einige; und nachdem sie eine Stunde im Tank waren, sagen sie:«Es ist überhaupt nichts gewesen.» Warum hat sich nichts getan? Weil sie dachten, der Tank ist ein ä.R.- Agens mit einem eingebauten Programm, das automatisch aktiviert würde, und vergaßen, daß P0 kreiert werden muß, entweder von einem selbst oder von etwas anderem, daß es gespeichert werden muß. Das Versagen liegt darin, daß das Buch nicht gespeichert wurde. Sie dachten, sie hätten es gespeichert. Man muß ein Buch fünfmal lesen, bis man es gespeichert hat. Aber selbst dann hat man es nicht unbedingt intus. Freilich kann man zurückspulen und sich an manches genau erinnern, aber man kann es nicht aktivieren, weil es kein Programm ist. Ebenso verhält es sich, wenn man das Buch fünfmal liest; man kann P0 effizienter machen; man kann es auch entkräften. Zum Beispiel kann man die Teile in einem Buch, die man nicht mag, entkräften und auf diese Weise anfangen, andere mehr zur Wirkung kommen und dadurch den Kontrast immer stärker werden zu lassen. Wenn P0 stärker wird, können Teile davon die Schwelle zur Anwendbarkeit passieren. Viele vergessen dann, daß sie es nicht gespeichert, nicht verstärkt und nicht bis zu der Schwelle alterniert haben. wo es anwendbar ist. Ein Kochbuch sagt einem. wie man alle Bestandteile zusammenstellt und auf bestimmte Art kombiniert, aber nicht, wie es schmecken wird; die Motivation, das Rezept auszuprobieren, wird nicht gegeben. 
30. Ich0 ist mit P0 identisch. Mit anderen Worten, Ich0 ist man selbst und als solches ein Programm, das im Biocomputer generiert wird. Ebenso ist das i.R-Agens als Ich0, ein Programm. Wenn Ich0 nicht irgendein P0 ist, befindet man sich in einem Seinszustand, den Merell-Wolff «objektloses Bewußtseim» genannt hat. Dort gibt es kein P0 mehr. Sehr wichtig sind die physikalischen Programme, die unser Körper ausführt. Man kann jede Art neurophysiologischer Be ispiele für autorhythmische Programme wählen.
Unser Gehen, Laufen, Sitzen, Stehen, Sprechen stellt automatische Programme dar, die von uns aufgerufen werden können. Sie wiederholen sich laufend; sie sind Bandschleifen, die wir zu Metaprogrammen zusammenstellen können. (Ich möchte darauf hinweisen, daß nichts von alledem Bedeutung hat, solange man es nicht gespeichert hat und reaktivieren kann. Aber wenn man das tut, wird man bemerken, daß alles, was hier gesagt wurde, eine tiefe Wirkung auf den gesamten Biocomputer hat. Wie wenn man einen Stein ins Wasser wirft, gehen von einer Behauptung wie:«P0 kann sich mit P1, P2 oder Pn identifizieren» Wellen aus, «Jedes Programm kann sich mit jedem anderen Programm identifizieren» ist nichtssagend, solange man an sich selbst beobachtet hat, wie es geschieht.) Mit dem Biocomputer hat es viel mehr auf sich. als man sich vorstellen kann. Der bewußte Geist ist nicht fähig, alles außer sich im Bewußtsein zu halten: der Apparat reicht dazu nicht aus. Um effizient operieren zu können, werden 99 Prozent davon unbewußt gemacht; nur was die Aspekte der Selbstprogrammierung, Erfahrung angeht. Wird im Bewußtsein behalten. Die Illusion des freien Willens ist pures weißes Rauschen, das alle möglichen Botschaften enthält: auf lange Sicht gesehen, wählen wir eine fabrizierte Sicherheit inmitten von Unbestimmtheiten.

Zitiert aus John C. Lilly, Die Programmierung der inneren Realität (i.R) und Simulationssphäre. P0 als nützlicher Metaglaube und seine Anwendung.

(John C. Lilly, Das Tiefe Selbst, Basel 1983)

Sonntag, 7. September 2014

Programmierung und Meta-Programmierung des menschlichen Biocomputers (2)


9. P0 kann eine in der inneren Realität wirkende Kraft werden. P0 kann ein Eigenleben führen und sich gegebenenfalls selbst aktivieren. Langsam beginnt man zu glauben, es ist spontan, weil man es nicht selbst aktiviert hat. Es ist einfach aufgetaucht, ohne daß man es beim Namen genannt hat, ohne daß man die Adresse angegeben hat. Das spontane Erscheinen eines Programms bedeutet, daß es oberhalb der Schwelle zur Anwendbarkeit genügend Energie besitzt, um im Bewußtsein wie eine Alsob-außerirdische Entität zu erscheinen. 
10. P0 kann eine in der äußeren Realität wirkende Kraft erzeugen. Künstler kennen das. P0 kann auch ein ä.R.-Agens in jemand anderem erzeugen, wenn es an eine andere Person übertragen, genügend stark aktiviert und zu einem selbst rückgekoppelt wird. 
11. P0 kann ein in der äußeren Realität wirkendes Agens programmieren. Mit anderen Worten, P0 kann Elemente in sich tragen, die es ermöglichen, jemanden für etwas anderes zu programmieren. Eine andere Art ä.R.-Agens als die Kunst ist die menschliche Umwelt im allgemeinen, aber auch die Weit der Tiere, Kinder oder die Wohnungseinrichtung, kurzum alles außerhalb von einem selbst, wo immer man gerade etwas kreiert, das dann auf einen zurückwirkt. Wenn man ein ä.R.- Agens mit programmierenden Kapazitäten besitzt, kann man die Programmierung einem Programm überlassen. 
12. P0 kann alles enthalten, was man denken, fühlen, tun kann. 
13. P0 kann sich mit P1, P2 usw, bis Pn identifizieren. Mit anderen Worten, manche Programme verhalten sich wie ein Chamäleon; offensichtlich nehmen sie andere Namen und Adressen an, als ob sie andere Programme wären. Wenn man P2 nicht genau untersucht, mag man in ihm nicht das altbekannte P0 unter einem Decknamen wiedererkennen. Ein großer Teil der Psychoanalyse beruht darauf. Es geht darum, die Decknamen von P1 und P2 zu entlarven und dahinter das ältere P0 zu erkennen. 
14. P0 kann stärker werden, gleich bleiben oder schwächer werden, und zwar in folgenden Parameterbereichen: der enthaltenen Energie, Leistungsfähigkeit bzw. Stärke, Kraft und Verstärkung. Was unter Verstärkung zu verstehen ist, erklärt sich beim weiteren Lesen von selbst. 
15. Solange ein P0 weder positiv (+) noch negativ (-) noch plus/minus (+/-) noch plus und minus (±), d.h. neutral verstärkt ist, hat es keine Bedeutung. Diese Feststellung ist sehr wichtig. Anders ausgedrückt, in uns gibt es schlummernde Programme. Man hat buchstäblich hunderttausende latenter Programme im Inneren sitzen. Solange keines von ihnen weder positiv noch negativ noch neutral aufgeladen wird, bleibt es inaktiv. Es ist in der Tat sehr schwer, P0 ohne eine Art von Verstärkung zu speichern. Die Tatsache, daß P0 solange bedeutungslos ist, wie es nicht verstärkt wird, ist sehr wichtig; man kann in einem Buch lesen, das ein anderer geschrieben hat, und das Programm kann einem völlig entgehen. Erst wenn man einige Anstrengung hineinlegt und ihm positive oder negative oder neutrale Energie verleiht, wird es einen irgendwohin bringen. Aber solange man das nicht tut, wird es in der äußeren oder inneren Realität als ein äußeres latentes Programm verharren. Will man es als latentes Programm verinnerlichen, muß man die Schränke überwinden, die durch die Verstärkung aufgerichtet wird. Den programmspeichernden Prozessen wohnt eine Impedanz inne. Manche Leute haben eine höhere Schranke als andere. Hierzu gehört auch die uralte Idee der Beeinflußbarkeit. Manche Menschen nehmen jedes Programm an; anders ausgedrückt, sie sind höchst beeinflußbar, was bedeutet, daß sie hoch aufgerichtet oder zutiefst zu Fall gebracht werden können. Ich würde im positiven Sinne sagen, daß diese Leute ein Talent haben, Programme anzunehmen. 
16. Die Position eines P0 auf der Prioritätenliste (die Prioritätenliste ist ein Programm für sich) ist eine Funktion der Verstärkungskapazität hinsichtlich P0. Mit anderen Worten, was man für das Wichtigste hält, ist das, was die meiste Verstärkung bekommen hat. Diese Formulierungen sind, wie man sieht, ziemlich seicht. Ein latentes Programm, das mit sehr viel Energie gespeichert wurde, aber eine niedrige Aktivierungsschwelle hat, ist ein Programm, das in der unbewußten Latenz, mit der es im Ruhestand verharrt, bereits über Energie verfügt, die mit ihm zusammen gespeichert wurde und von dem Augenblick an assoziiert wird. Man muß an sich selbst erfahren, wie die eigenen Prioritäten verteilt sind. Die Prioritätenliste, die man hat, ist nicht etwas, mit dem man sich hinsetzt, um nach Belieben Programme zu konstruieren und zuzuweisen. Man muß sie untersuchen, um ihre Struktur zu erkennen. Gewöhnlich ist der Schreck groß, wenn man die eigentliche Struktur entdeckt. Es stellt sich heraus, daß das, was man immer ganz bewußt für das Wichtigste hielt, gar nicht das Wichtigste ist, sondern etwas ganz anderes diese Stelle einnimmt. Erinnern wir uns wieder an das unter Punkt 13 Gesagte: P0 kann sich mit P1, P2, Pn, usw. identifizieren. Als erstes müssen daher die Namen, die auf der Prioritätenliste stehen, untersucht werden. Sie könnten lediglich Decknamen sein, so daß man es bereits mit mindestens zwei Prioritätsebenen zu tun hat. Eine davon ist die echte, tatsächlich operierende Priorität. Eine außenstehende Person, die objektiv ist und einen gut kennt, kann einem helfen, die Prioritätenliste, so wie sie in der Außenwelt vorkommt, zu lesen, Diese kann man mit der eigenen Prioritätenliste vergleichen, so weit sie einem bewußt ist. In jeder diadischen Beziehung stößt man immer wieder auf Neues. 
17. Jedes P0 kann verstärkt werden: positiv (+), negativ (-), negativ/positiv (-/+) oder positiv/negativ (+/-) und neutral (±). Man kann jedes Programm wichtig machen, indem man es im positiven Sinne überbewertet oder im negativen Sinne schlecht macht oder verunglimpft. Dadurch wird es automatisch wichtig. Eine andere Möglichkeit ist leidenschaftbefreites, objektives Denken im neutralen Sinne. 
18. Jedes Programm P0 kann Kontrolle ausüben/kontrolliert werden. Das bedeutet, daß jedes Programm mit jedem anderen Programm in rückwirkender Beziehung steht. Auf der einen Seite wird es von einer Vielzahl anderer Programme kontrolliert, auf der anderen, also vom Output her gesehen, kontrolliert es andere Programme. 
19. Alle P0 in einem Biocomputer (B.C.) sind Teil des P0- Netzwerkes von P0 in diesem B.C.; sie sind damit verbunden/unverbunden. Der Unterschied zwischen verbundenen und unverbundenen Programmen erklärt sich durch das Folgende. 
20. Das P0-Netzwerk im Biocomputer enthält Programme, die zu anderen Programmen Verbindungen und Unterbrechungen (Unterbindungen) herstellen und außerdem mit verbundenen und unverbundenen Programmen verkehren. Eigentlich sollte vor den Begriffen«verbunden» und«unverbunden» ein alsob-Präfix stehen, denn in Wirklichkeit sind alle Programme miteinander verbunden. Man kann das Spiel spielen und sagen;«Ich werde jetzt (P0)+n, das nte P0 von allen anderen Programmen abbinden und es isolieren und zulassen, daß es andere programmiert oder von anderen programmiert wird.» Hierfür ist der Begriff der«Repression» bekannt, und wie Freud schon vor Jahren zeigte, macht dieser Akt der Repression, «die Unterbindung», alles andere als unterbinden. Das Programm wird lediglich von uns selbst und der bewußten Anwendung unsererseits abgeschnitten. Trotzdem bleibt es verbunden; es ist weiterhin aktiv, verstärkt, operativ, wie sehr man auch seine Existenz leugnen mag. 


Zitiert aus John C. Lilly, Die Programmierung der inneren Realität (i.R) und Simulationssphäre. P0 als nützlicher Metaglaube und seine Anwendung.
(John C. Lilly, Das Tiefe Selbst, Basel 1983)

Donnerstag, 4. September 2014

Programmierung und Meta-Programmierung des menschlichen Biocomputers (1)

John C. Lilly, Der Scientist
1. Zu erzeugen ist ein Programm P0. All das spielt sich in der Provinz des Geistes ab; wir sprechen von einem Programm das von einem Ich0 erzeugt wird oder mit einem Mal auftritt. 
2. Ist P0 einmal erzeugt, kann es gespeichert werden. P0 kann in Erinnerung gerufen werden. 
3. Ist P0 einmal gespeichert, kann es wiederholt abgerufen werden. Erst wenn es gespeichert ist, kann man es wiederholen. Alles muß ins Gedächtnis zurückkehren und später, wenn es wiederholt werden soll, erneut abgerufen werden. 
4. Wird P0 genügend oft wiederholt, wird es stärker/schwächer. Hier ist die Rede von Verstärkung gegenüber Abschwächung, P0 kann sowohl das eine wie das andere. Mit anderen Worten. Kommt es zur Wiederholung des Programms, kann man es entweder inhibieren oder stimulieren - also verstärken oder abschwächen. 
5. P0 gewinnt an Stärke/Leistungsfähigkeit; es wird anwendbar. Diese feine Unterscheidung wird von vielen nicht gemacht, die über Programmierung reden. Das verinnerlichte Programm in der i.R. muß stark genug sein, um angewendet werden zu können: ist man dazu nicht imstande, kann es umgekehrt passieren, daß man selbst zum Werkzeug eines automatischen Programms wird. Wie gesagt, dies hängt ganz davon ab, wie stark das Programm im Inneren operiert; ob die Stärke eine bestimmte Schwelle überschritten hat. 
6. Wenn die Schwelle zur Anwendbarkeit erreicht ist, kann P0 aktiviert werden. Aktivierung bedeutet nicht, daß das Programm erneut abgespielt wird, sondern daß das Programm in seinen Operationen höchste aktuelle Priorität hat. Ohne weiteres Zutun läuft es nun ganz von alleine ab. Es ist gespeichert und im einzelnen bewußt verfügbar. P0 wird neu belebt; benutzt wird dazu Ich0. 
7. Die Aktivierung von P0 geschieht kraft der inneren oder äußeren Realität. Mit anderen Worten, man kann einen Metaglauben P0 bei sich selbst ins Leben rufen, oder er kann von jemand anderem ausgelöst werden, wobei im letzteren Fall P0 der Anlage nach bereits vorhanden sein muß. Sexuelle Programme sind hier Beispiel genug. Was ist unter einem gespeicherten Programm zu verstehen, und wann ist es anwendbar? Ein gespeichertes Programm befindet sich in einem latenten Zustand; es ist nicht entwickelt, aber die Vorlage ist da. Latente Programmvorlagen lassen sich mit einem unbeliebteren Film in einer Kamera vergleichen. Man löst den Verschluß ans, und der Film wird mit einem Bild belichtet. Das Bild aber wild erst sichtbar, wenn man den Film in einer Dunkelkammer entwickelt. Ähnlich verläuft der Prozeß bei der Aktivierung eines Programms. Das Programm ist in einer latenten Form gespeichert; man muß es herausnehmen und so verstärken, bis es manifest wird und seine Operation beginnt. Es ist eher so, als würde man bei einem Film starr Einzelphotos entwickeln und Musik, Gefühle und Handlungen zumischen. Das eigene Fühlen, Handeln, Denken usw. kann von diesen Programmen gesteuert werden. Die Entwicklung eines Programms ist nicht wie die Entwicklung eines Films oder Photos auf visuell Vorgegebenes beschränkt. Wenn ich bei mir Programme entdecke, die ich nicht anwenden kann, sind es meiner Erfahrung nach entweder solche, die ich nicht aktivieren kann, zu denen ich also keinen Schlüssel habe, um sie anzuschalten. obwohl sie manchmal ohne mein eigenes Zutun ablaufen, oder solche, die kurzweilig da sind, deren Aktivität ich aber nicht aufrechterhalten kann. Wie schwierig dies ist, zeigt sich am folgenden. 
8. P0 ist zum größten Teil unbewußt: um es anzuwenden, reicht es, seinen Namen und seine Speicheradresse aufzurufen. Eigentlich braucht man nur sehr geringe Informationen: es reicht, den Namen des Programms zu kennen. Der Name steht für das Programm, und dies er hat Bedeutung. In einer Hinsicht ist die Bedeutung bereits das Programm. Es wird mit der Bedeutung des Namens aktiviert und angewendet. Zur Aktivierung gehört auch die Adresse; man findet sie, indem man die ganze Assoziationskette durchläuft. In G. Spencer Browns Terminologie ist die Benennung des Programms der Programmaufruf bzw. der Wiederaufruf. Wenn es schon einmal abgerufen wurde. Die erstmalige Speicherung eines Programms ist ein Vorgang, den G. Spencer Braun «Verwendbarmachung» nennt. Die Aktivierung eines Programms nennt er Wiederverwendbarmachung. 

Zitiert aus John C. Lilly, Die Programmierung der inneren Realität (i.R) und Simulationssphäre. P0 als nützlicher Metaglaube und seine Anwendung.
(John C. Lilly, Das Tiefe Selbst, Basel 1983)

http://en.wikipedia.org/wiki/John_C._Lilly