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Donnerstag, 29. Januar 2015

Danse macabre


Der Herr Doktor Versaltzer tanzt nächtlich den Walzer
mit Esther, einer kleinen Schwester,
im Spital
durch die Abteilung Bronchien und Lungen
eng umschlungen
durch die Geistesgestörten zum Kriegsversehrtensaal.

Der Herr Doktor Versaltzer tanzt Walzer gern ohne
Orchester, aber auch die Schwester
liebt er sehr.
Und so tanzen sie zärtlich und innig
durch die Klinik,
über Watte und Pillen, Bazillen ringsumher.

In Zweihundertdrei stirbt Herr Meier,
in Zweihundertvier stirbt Frau Kraus.
Herr Meier hat eitrige Eier,
Frau Kraus hat vier Kinder zuhaus.

Frau Schultz nebenan hat ein Brustkarzinom,
und jetzt spuckt sie noch Blut jede Nacht.
Und die kleine Marie hat die Epilepsie,
dabei ist sie erst siebn oder acht.

Und alle hört man sie stöhnen,
als könnten sie sich nicht dran gewöhnen,
nur der Doktor Versaltzer tanzt Walzer
und trällert und lacht.

Aber Esther, die Schwester, hält fester den Doktor
und enger, und sie blickt ihm strenger
ins Gesicht,
und sie lauscht mit bekümmerndem Wimmern
in den Zimmern.
Ihre Augen beginnen zu schimmern, und sie spricht:

„Wie lang wollt ihr Ärzte, ihr lieben,
den Tod nur verschieben?
Wann setzt ihr euch endlich in Trab
und schafft ihn ab?

Der Tod ist ist so grausam und gründlich,
doch sicher überwindlich!
Aber ihr handelt verlogen mit Drogen,
der Tod selbst hat euch dazu erzogen,

wobei ich aber auch zugeben muß:
Wenn der Tod eines Tages nicht wär,
dann wär’s auch mit eurer Machtstellung Schluß,
denn dann bräuchte man euch ja nicht mehr!

Jawohl, der Tod hat für euch was kommodes,
nicht wahr? Der bringt euch immer was ein,
und darum seit ihr Ärzte auf der Seite des Todes,
sonst könnt dieser schrecklich willkürliche,
widernatürliche Tod längst nicht mehr sein!“

Da lächelt der Doktor, doch stockt er nicht
eine Sekunde. Er tanzt seine Runde
nach wie vor,
und zertritt in den Fußbodenritzen
ein paar Spritzen,
und dann presst er die Schwester und flüster ihr ins Ohr:

„Schau, dort kommt schon das Zimmer, wo wir beide immer
kampieren zwischen den Klistieren
und dem Jod...
Du siehst vorher so blaß und hysterisch aus,
doch nachher frisch und rot!
Ja, wir Ärzte sind auch für das Leben da,
und nicht ausschließlich für den Tod!"

Georg Kreisler

Montag, 26. Januar 2015

Barbara


Ich denke jeden Nachmittag an Barbara
Obwohl ich Niemand dieses Namens kenn
Und jede Nacht träum ich erneut von Barbara –
Ja, wenn ich nachts nicht träumen soll, wann denn?

Am Morgen unterhalt ich mich mit Barbara
Sie steht dann neben mir und kocht Kaffee
Die Reise zum Büro mach ich mit Barbara –
Ich hoffe, dass ich Barbara einmal seh'

Träume sind nicht Schäume
Sind nicht Schall und Rauch
Sondern unser Leben
So wie wache Stunden auch
Wirklichkeit heisst Spesen
Träume sind Ertrag
Träume sind uns sicher
Schwarz auf weiss
Wie Nacht auf Tag

Am Abend kehr' ich heim zu meiner Barbara
Sie wartet schon und freut sich sicherlich
Und geh' ich dann zu Bett, so weiß ich, Barbara
Liegt schon im Bett und wartet still auf mich

Manche geh'n ins Kino
Oder ins Café
Manche schließen Ehen
Und das Scheiden tut dann weh
Manche haben Kinder
Viele haben Streit
Manche sind erfolgreich
Und zu Träumen nicht bereit

Am einfachsten und billigsten ist Barbara
Sie isst nicht viel und nimmt nur wenig Raum
Ich wünsche allen Menschen eine Barbara
In Wirklichkeit – doch besser noch, im Traum


Georg Kreisler

Dienstag, 13. Januar 2015

Je ne suis pas Charlie

Französische Karikaturisten zeichnen gegen Pegida.
Die Abbildung stammt von Jean-Marc Couchet und
trägt den Titel "Récupération Fasciste" ("Vereinnahmung durch Rechtsextreme").

Folgende Zuschrift erreichte heute den Daten-Messie: 

„Na, das ist ja richtig losgegangen dieses Jahr. Unerfreuliche Ereignisse und unfassbare Reaktionen darauf. Das Netz, das Fernsehen, die Zeitungen und das Radio spucken nach solchen furchtbaren Morden ebenso furchtbaren Müll aus.

Ich dachte, ich informiere mich am gescheitesten durch die Aussagen des französischen Staatsanwaltes. Der aber scheint auch nicht immer bei den Sinnen zu sein – so erfuhr ich durch ihn, dass sich in einer Druckerei eine Geisel in einem Karton versteckt hatte.

Wenn die Attentäter von dem wirklich nicht zu beneidenden Mann im Karton nichts wussten, dann war es doch keine Geisel, oder?

Auch frage ich mich warum dieser Staatsanwalt folgende Details meinte der Öffentlichkeit mitteilen zu müssen: Die Ehefrau des einen Attentäters, der sich in der Druckerei verschanzt hatte, hat im Verlauf der letzten 24 Stunden 500 mal den anderen Geiselnehmer im koscheren Supermarkt angerufen. Was sagt mir das? Da dreht doch meine Phantasie durch.

Mir gefallen viele Details nicht. 

Die Geschichte mit dem Mann im Karton verfolgt mich. Er hat mit der Polizei telefoniert und sie über das, was er wusste und hörte, informiert. Wieso hört man nichts von dem? Ist er schon in therapeutischer Behandlung?“


Donnerstag, 1. Januar 2015

Endlich vorbei, das neue Jahr



Die schönsten Jahre sind die, wenn Heiligabend auf einen Freitag fällt. Der erste und zweite Weihnachtstag sind dann ein Samstag und ein Sonntag. Besonders schlimm war es in diesem Jahr: Heiligabend am Mittwoch, dann zwei Feiertage, eine kurze Oase der Normalität am Samstag und dann schon wieder ein Sonntag mit geschlossenen Geschäftszeiten. Elektronikmärkte, Tätowierstudios, Enthaarungsshops, Postämter, Solarien und Fitnessstudios waren geschlossen – fast nahtlos an drei Tagen. Eine besondere Belastung, über die die Wirtschaft einmal nachdenken sollte. Die Leute trinken und essen zu viel, streiten zu häufig, bewegen sich nicht mehr, müssen Geschenke umtauschen und erschlagen sich vor laufenden TV-Programmen. 

Rituale können gut sein und grüne Weihnachtsbäume schmücken macht Sinn. Bäume dafür abzuholzen aber weniger. Besser wäre es, wenn die Menschen in ländlichen Gegenden sich um die Weihnachtszeit direkt im Wald treffen würden, um ihre Tannen oder Fichten zu schmücken. Natürlich können sie dann auch gegen 19 Uhr gemeinsam christliche Lieder aus dem Abendland singen. In Großstädten hingegen sollten Parkanlagen extra dafür zu Verfügung gestellt werden. 

Die Knallerei an Silvester hingegen sollte mit Null-Toleranz geahndet werden. Stattdessen könnte man ja alternativ kollektives Topfschlagen oder Garagentor-Knallen verordnen. Böse Dämonen vertreibt man nicht durch bunte Fontänen sondern durch extremen Krach. 

Eine zukünftige Veganer-Woche kann man dann auch gleich für diese Woche terminieren (vielleicht noch zusätzlich mit einer verordneten Alkohol-Prohibitionszeit). 

Weihnachten, Silvester und Neujahr sind ohnehin für die meisten Leute zu belastend. Und man sollte sich für das neue Jahr nur Dinge vornehmen, die man auch einhalten kann. Zum Beispiel: mehr rauchen und sich weniger um die Familie kümmern (wie der Komiker Gernot Hassknecht meint).

In diesem Sinne wünscht der Daten-Mesie allen alles Gute, Wahre und Schöne für 2015