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Sonntag, 27. Dezember 2015

Kontaktanzeigen "Die Zeit" (2004)



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Hier begegnet Ihnen ein wahrhaft außergewöhnlich interessanter Mann, 57/188, mit gepflegtem Äußeren u. fabelhaftem Auftreten; eine Energie entwickelnde Führungspersönlichkeit u. Inhaber mehrerer Firmen; beruflich wie privat weltweit gereist - China, Italien, die USA … die Côte d´ Azur (eig. Traumhaus); er begeistert sich für die Kultur u. Geschichte der Bretagne, europäische Werte … Aktivitäten wie Ski fahren, Hochseesegeln oder Reiten. Neben aller Dynamik schätzt er die Zurückgezogenheit bei einem guten Buch oder beim Klavierspielen (die Bayreuther Festspiele sind ein fester Bestandteil seines Lebens); fühlt sich angesprochen von Kunst, die Leben u. innere Kraft ausstrahlt. Es erwartet Sie ein großzügiger Gentleman - liebevoll, aber auch sensibel, der als Ästhet alles Schöne liebt u. sich nach einer charmanten Frau mit inneren Werten, Klugheit u. Weltoffenheit sehnt, die einfühlsam u. zärtlich ist, wie er. Partnerschaft & Liebe bedeuten für ihn ein Geben u. Nehmen von Wärme u. Gefühlen u. vor allem Treue. 

2

Mitte 50, über 1.80 m – weltbekannt durch seine Spitzenprodukte leitet er sein Imperium ... Ein sehr gut aussehender, charmanter Mann mit Charisma, Stil und Klasse ... in der Verantwortung für 1000de von Arbeitsplätzen ist er der hochgeschätzte Vorgesetzte, bekannt für Gerechtigkeit, soziale Einstellung sowie Hilfsbereitschaft. Großzügig im Denken und Handeln – ist er der Mann, bei dem keine Wünsche offen bleiben. Ob auf seinem Traumanwesen mit Park, in seinem Haus am Meer ... er wird IHNEN die Welt zu Füßen legen. Sind Sie die herzliche, intelligente, weltgewandte Frau - sportlich, kunst- u. kulturell interessiert, ebenfalls mit bestem Background, dann sollten Sie Ihrem Glück jetzt eine Chance geben! Er ist der Mann mit dem Sie genussvoll leben und viel lachen können! Aus Diskretionsgründen dürfen wir an dieser Stelle nicht mehr über diesen interessanten Mann bekannt geben, bitte rufen Sie an! 

3

Als Geschäftsfrau (Akademikerin) trägt sie Verantwortung für ihr eigenes Unternehmen u. zahlreichen Mitarbeitern u. beeindruckt mit liebenswert-verbindlichem Auftreten ebenso wie mit sicherem Verhandlungsgeschick auf internationaler Ebene. Privat überrascht sie eine heitere, gelassene junge Frau mit Werten… umgänglich, erdverbunden, harmonisch sowie sinnlich u. gefühlsbetont mit großer Liebe zur Natur (Jagdbegleiterin) u. ländliches Leben der Großstadthektik vorziehend. Gespräche mit Tiefgang geben ihr mehr als jeder Small Talk, dennoch macht sie auf jedem Parkett eine phantastische Figur, liebt es, ganz Frau zu sein, die Aufmerksamkeit u. Fürsorge eines Kavaliers genießend. Ein solcher Gentleman – gebildet, erfolgreich, kultiviert (und ebenfalls in allerbesten finanz. Verhältnissen lebend)… mit Herzenswärme u. Humor, wobei sein Alter eine untergeordnete Rolle spielt, kann der ideale Partner sein für eine Zukunft, in der alles möglich ist, wovon beide träumen… 

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Eine Frau, die die Blicke auf sich zieht – auf die Sie stolz sein werden! Mit ihrer langen lockigen kastanienbraunen Haarmähne, ihren großen warmen braunen Augen u. ihrer verführerischen weiblichen Figur verkörpert sie den rassigen romantischen Frauentyp – eine Symbiose aus Natürlichkeit, Eleganz u. Sexappeal… voller Temperament u. Zärtlichkeit, mit bezauberndem Lachen u. unwiderstehlichem Charme; bester akademischer wirtschaftlicher Background, Wirtschaftswissenschaftlerin, mit guter Intuition, Kreativität, Weitblick, kosmopolitischem Geist u. gebildeter Lebens art; Beruf u. Privatleben optimal verbindend - ist sie die sinnliche Frau, die Sie entflammt! Kult. Events (Bayreuther Festspiele), aktuelle Kunstausstellungen, Literatur, sportl. Aktivitäten, auch Golfen haben für sie einen hohen Stellenwert. Mit einem kultivierten Mann, trotz einiger Stürme ungebrochen, möchte sie den Tag gestalten u. die Nacht erleben, wo immer Er Zuhause ist. 

Samstag, 12. Dezember 2015

Das Leben ist eines der härtesten das existiert


Das Leben ist eines der härtesten das existiert


(Ein FAFI-Dialog)

Personen:                                Klaus Kleber, Anchorman, ZDF
                                                Franz Beckenbauer 
                                                oder bloss Herr Franz
                                                oder Der Kaiser
                                                oder so

(Die Beiden sprechen am Telefon. Vorgespräch)


B:        Ja hier Beckenbauer.

K:        Guten Tag Herr Beckenbauer ! Ich bin Klaus Kleber vom ZDF !

B:        Na servus Herr Kläber !
            Das ist aber schön mit Ihnen zu reden.

K:        Das finde ich auch, Herr Beckenbauer.

B:        Ach so ein Schmarren ! Lassen Sie den Herrn doch weg !
            Ich bin der Franz ! Bin doch kein Herr.

K:        Herr Franz...

B:        ... Sie können mir auch Der Kaiser sagen oder Lichtgestalt,
            obschon ich dieses Wort nicht so mag. Weil ich bin ja nicht so
            gern im Licht, obschon andere anderes behaupten und dem
            muss ich schon hier beim Vorgespräch aufs Entschiedenste entgegenäussern.

K:        Sie meinen, Sie sind keine Lichtgestalt des deutschen Fussballs ?

B:        Naja, wenn Sie mich so direkt fragen, also hier bei uns in Bayern, da
            sprechen mich die Leute schon auf der Strasse an mit „Herr Lichtgestalt“.

K:        Das ist schön.

B:        Ich stehe ja nicht so gern im Licht, hab ich zwar schon gesagt,  aber
            doppelt gemalt...

K:        ...Doppelt genäht hält besser.

B:        Jaja, genau !
            Sie sind halt in der deutschen Sprache schon bewandert.
            Kann man „bewandert“ sagen ?

K:        Natürlich. Ich wandere immer gern, wenn ich Zeit hab.

B:        Aber kommens eh selten dazu, gäll, das kenn i.
            Die Zeit, man hat sie ja gar nicht, weil sie so schnell ist und wenn man denkt, jetzt hab ich so 30 Sekunden Zeit, schon ruft so ein Schurnalist an und will mein Stätment.

K:        Zu was ?

B:        Mein Stätment zu was ?

K:        Zur aktuellen Entwickung in der FAFI ?...

B:        Ach immer diese Fragen dabei ist es doch ganz klar.

K:        Was ist klar ?

B:        Dass das Leben eines der härtesten ist, das existiert !

K:        Aehh... Und weiter ?...

B:        Na i wois nix. Das steht fest. Ich glaub eben an mich, so ist das halt.
            Und dann sollten es die anderen auch tun. Ich bin doch Der Kaiser oder  auch Herr Franz oder auch...

K:        Sehr schön, Herr Franz.
            Nun, diese täglichen Enthüllungen um den Fussballsport und auch um
            Ihr Schweigen, das Sie meisterhaft beherrschen...

B:        Na so ist das nicht. Ich sage schon, was ich denke, aber ich bin meistens
            still.

K:        Ich versuche es mal auf einer anderen Ebene.
            Sie sind doch den Bayern verbunden.

B:        „Verbunden“ – was ist das denn für ein Wort, Herr Kläber !
            Ich bin der FC Bayern.
            Vielleicht noch der Uli, wenn er grad da ist und vielleicht noch der
            Pepsi.

K:        Wer ist Pepsi ?

B:        Der Pep natürlich ! Die Gardiole !
            Naja das ist sein Niknäm – sonst verwechsle ich ihn mit Coca
            (Lacht herzlich)

K:        Ach so.

B:        Aber kommen wir auf den Punkt, Herr Kläger.

K:        Ja !

B:        Ich kann Ihnen und dem deutschen Volke versichern und ich gebe Ihnen
            mein Ehrenwort – ich wiederhole – mein Ehrenwort, dass ich von nichts
            weiss, nichts gewusst habe, nie etwas wissen werde, total unwissend bin.

K:        Herr Franz – wo befinden Sie sich gerade ?

B:        Na, wo wohl – in der Badewanne in einem Hotel in der Schweiz.

K:        Ganz alleine ?

B:        Schon. Ich spiele halt ein bisschen.

K:        Sie spielen in der Badewanne ?

B:        Aber schon. Denken Sie, ich sei dazu unfähig ?

K:        Was spielen Sie denn ?

B:        Was man halt so spielt allein der Badewanne mit viel Schaum...

K:        Sie rekonstruieren Ihr letztes finales Freistosstor nach ?...

B:        Jo mei, so kann man das auch sagen.
            Aber warum sind Sie immer so ernsthaft, Herr Kläber ?

K:        Das ist mein Beruf.

B:        Kommen Sie doch zur FAFI. Wir könnten Sie gut gebrauchen.
            Also wenn ich dran denke, was für eine Gaudi das immer ist in
            Zürich oder New York mit meinen Freunden.
            Luxuslimousinen vor dem Baur au Lac... Frauen...
            das sind Freundschaften auf Lebenszeit, Herr Kläber.

K:        Haben Sie, Herr Franz, noch Freunde von früher, als Sie noch für den
            BVB spielten ?

B:        WAS ?!
            Was sagen Sie da ? Gott ! BVB ?!...
            Ich krieg ein Härzkaschperl !
            BVB !
            Sie Unhold !
            Sie Profokation !
            Ich habe nie !.... NIE !...

(Herr Franz taucht langsam unter.
Ja, sein Verdacht hat ihn nicht getäuscht: Ein Härzkaschperl ists.
Und weisser, milder Schaum bedeckt sein kaiserliches Angesicht.
Er ruft zum letzten Mal nach „Seppli“.
Aber der ist auf dem Matterhorn.)
                 

*


Ende


Fritz Sauter

Mittwoch, 2. Dezember 2015

Ruth Sackner

Ruth & Marvin Sackner

Anfang der 1990er Jahre lag in meinem wackeligen Briefkasten im zweiten Hinterhof in der Urbanstraße in Berlin-Kreuzberg ein Brief mit gedruckten kyrillischen Zeichen und dem Absender „The Ruth & Marvin Sackner Archive of Visual and Concrete Poetry, Miami Beach“. Der Brief selbst war handschriftlich von Marvin Sackner geschrieben worden. Er erkundigte sich nach der Möglichkeit, die Zeitschrift „teraz mowie - Hefte für visuelle Poesie“ komplett zu erwerben. Den Tipp muss er aus Russland von den inzwischen verstorbenen Neofuturisten Serge Segay und Rea Nikonova bekommen haben. Und natürlich gab es die Möglichkeit, diese Hefte und noch viel mehr zu beziehen. Bei unseren weiteren Korrespondenzen wurde schnell deutlich, dass die Sackners das weltgrösste Archiv für Künstlerbücher und -editionen angesammelt hatten –  voller leidenschaftlicher Hingabe an die erworbenen Werke, mit denen sie ihr Haus gestalteten, Gäste aus aller Welt empfingen oder externe Ausstellungen konzipierten. Unter den Sammlern von Künstlerbüchern sind sie die Superstars. 

Man weiß nie so genau, wer bei einem Sammlerpaar dieser Klasse die Initiative für die private Sammlung ergreift. Ist sie geteilt? Gibt es gemeinsame Vorlieben, Abneigungen, gegensätzliche Impulse. Meine Korrespondenz  fand ausschliesslich mit Marvin statt.
Gelegentlich rief ich bei den Sackners an und einmal sprach ich mit Ruth über Menschen in öffentlichen Institutionen, die in herausragender Position sind, aber überhaupt keine Impulse für die Sammlung haben. Warum die ausgerechnet mit Kunst zu tun haben, weiß niemand. Beim Finanzamt wären sie vermutlich viel effektiver. Für Ruth waren das Menschen ohne langen Atem, ohne Leidenschaft für die Kunst, ohne Ausdauer. 

Eine Sammlung steht und fällt mit dem, der sie betreibt. Die Hasardeure waren mir da immer lieber als die Bürokraten, die dauernd wegen ihres Etats jammern. Und ich erinnere mich sehr gern an eine Bekannte in einer namhaften Bilbliothek, die gegen die Anordnung ihrer Direktorin, die lieber das Geld in die Digitalisierung des Bestands investieren wollte, weiterhin einfach Künstlerbücher erwarb und sich einen endlosen Kleinkrieg mit der Dame lieferte, bis sie nach etlichen Abmahnungsbescheiden per Gerichtsbeschluss rausgeschmissen wurde. Der Bestand der Bibliothek mag nun online verfügbar sein. Na und? Mich interessiert da eher der Dubuffet im Grafikschrank. 

Kurz bevor die Sackners als aktive Sammler aufhörten, besuchten sie mich noch einmal in Berlin. Wir verbrachten einen sehr entspannten Tag am Potsdamer Platz und in meinem 12 Quadratmeter großen Zimmer in Schöneberg, zu dritt auf wackeligen Stühlen, wobei einer zusammenkrachte. Ruth ist mir als eine attraktive, warmherzige Frau in Erinnerung geblieben. Heute schrieb mir Marvin, daß sie am 11. Oktober 2015 im Schlaf gestorben ist. 

H.A.

Sackner-Archive: