Translate

Montag, 25. März 2013

Wiki-Detlef am Montag: Die Hanse

Die Länder der neuen Währung (N€ = Nord-Euro)


Durch die Hanse wurden Ostkolonisation und Deutscher Orden von der See her flankiert, ja überflügelt. Ein Problem ist die zeitliche Abgrenzung gegen die deutsche Ostbewegung und den Ordensstaat sowie gegen die spätere Rolle der Hanse, etwa bei den mit dem Aufstieg der skandinavischen Länder, vor allem Dänemarks unter Waldemar IV. Atterdag, verbundenen politischen Ereignissen. Die Hanse entstand aus dem Zusammenschluß von Kaufleuten: „hanse“ = Schar, Fahrtgenossenschaft, Karawane; Gilde = Organisationsform innerhalb des Zielortes, der Stadt selbst. Wirtschaftliche Voraussetzungen waren die Jahrmärkte und Messen, die wichtigste Organisationsform des sich im 13. Jahrhundert entwickelnden Fernhandels. Hauptfaktor war das Messenetz der Champagne – Lagny-sur-Marne, Bar-sur-Aube, Provins, Troyes – mit seinem von Januar bis Oktober fast ununterbrochenen Umschlag von Gütern aus dem Mittelmeerraum und Orient mit solchen aus Nordwesteuropa (Stoffe, Leder, Pelze, Gewürze; daneben Geldgeschäfte). Ab 1300 gab die Champagne ihre Monopolstellung an Genf und Lyon im Süden sowie im Norden an Brügge, später Brabant, Antwerpen, Bergen-op-Zoom ab. Dieser Wechsel bedeutet geographisch eine Annäherung an den Seehandel. Von den übrigen Messeorten – u. a. Frankfurt, Friedberg, Bozen, Linz – hatten gerade die östlich gelegenen (Breslau, Posen, Lublin, später auch Leipzig) einen weiten Einzugsbereich. Der Kaufmann überließ das nicht ungefährliche Ziehen „über See und Sand“, das Hausieren den Spediteuren, mußte also den Warentransport nicht mehr persönlich begleiten bzw. beim Umschlag anwesend sein. Die Revolution der Geschäftsführung – kalkulierender Gebrauch der Schrift, von Bürokratie, Kontor („scrivekameren“) und Kommission – erlaubt durchorganisierte Betriebe, Rationalisierung, Marketing, Kapitalisierung, Kreditwesen usw. Das früh entwickelte oberitalienische Geld- und Handelswesen (bargeldloser Zahlungsverkehr) wurde durch die Hanse in Deutschland eingeführt. Zu deren technischen Voraussetzungen gehört der Einsatz der Kogge, des damals leistungsfähigsten Lastschiffs überhaupt (Ladevermögen um 1300: bis zu 200 Tonnen, andere Schiffe nordischer Konstruktion: etwa 20-30 Tonnen). Zu den weiteren Voraussetzungen gehört einerseits die Siedlungsform der rational geplanten Stadt, Vorbild Lübeck: rechteckiger Marktplatz mit Kirche und Rathaus, durchlaufende, rechtwinklig gekreuzte Straßen als direkte Verbindung von Hafen und Markt. Andererseits der seit etwa 1200 von den deutschen Ostseestädten in großem Stil betriebene Heringsfang auf Schonen. Der Hering war nicht nur beliebteste Fastenspeise, er galt in der Volksmedizin auch als Universalheilmittel. Wie war das ganze Gebilde organisiert bzw. strukturiert? Zu beachten sind die Schritte von der voroffiziellen Hanse, d. h. der Vereinigung von Kaufleuten (Kölner Wein- und Tuchhändler in London; Gotländische Genossenschaften seit dem 11. Jahrhundert usw.) zu frühen Städtebündnissen (Reval-Lübeck 1259, Rostocker Landfrieden 1283) und zum Bund der „ghemeenen coplude uten Romeschen rike von Almanien“ (1347, Hamburg-Lübeck) bis hin zum Bund „von der dudeschen hanse“ 1358. Dieser umfaßte im 15. Jahrhundert mehr als 160 Städte, und zwar ohne besondere Verträge, Statuten (außer den „Rezessen“), ohne eigene Finanzordnung, Flotte, Beamten usw. Er gliederte sich in mehrere Gruppierungen oder „Quartiere“: Kerngruppe waren die „wendischen Städte“, daneben die sächsischen, märkischen, livländischen und westfälisch-rheinischen. Termini wie „tagfahrten“ und „verhansen“ erlangten eine gewisse Geläufigkeit. Doch eine ausgeprägte Organisation und eine markante Außenpolitik fehlten. Größere Aktionen betrafen meist nur interne Konflikte. Daten wie 1370 (Stralsunder Friede, Erneuerung der Handelsprivilegien durch den Dänenkönig), 1466 bzw. 1598 (Verlust der Privilegien in England bzw. Schließung des Stalhofes durch Elisabeth I.), der spanische Kaperkrieg 1418-43 oder die Episode Gullenwever 1533-37 zeigen eher die ökonomische Orientierung der Hanse oder eine vergebliche Tendenz zur Sicherung des Status quo, einen Verzicht auf so etwas wie Expansions- oder gar Kolonialpolitik. In solchem Zusammenhang sind Figuren wie Störtebeker zu sehen, der als Pirat den Handel parasitiert. Das Kontor Petershof wurde 1494 geschlossen. Die Insel Gotland (Wisby) war strategisch wichtig. Als Hauptzug des Seerechts kann das „wir alle im selben Boot“ gelten. Die Hanse trug bereits früh und dauerhaft dazu bei, das Randgebiet des geographischen Europa, Rußland vor allem, auch für das rechtliche, geistige und politische Europa zu gewinnen.

Dr. Detlef Thiel



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen