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Donnerstag, 16. Juli 2015

Wir gründen eine Sekte


J.M. rief um 1 Uhr 17 an. Ich fragte ihn, ob er um diese Zeit eine Vision gehabt hat, als ich ihn später am Abend telefonisch erreiche. Er: Ich dachte, du bist der Nachtrabe von früher, was ich weder dementieren noch bestätigen wollte. Eigentlich wäre es doch an der Zeit, mit ihm eine Sekte zu gründen. Wenn die Kunst zu eng wird, wird man Sektenführer. Allerdings weiß ich noch nicht, welches Programm die Sekte haben soll und wer einfach nur Kassenwart oder die Reinheit der Lehre verkörpert, also der höchste Meister ist. Ich glaube, ich sollte J. den Weg dafür frei machen und lieber im Hintergrund arbeiten. Vielleicht als Schriftführer. Wie lautet der Name unserer Sekte? Gesellschaft zur ekstatischen Entwicklung des Menschen? Klingt gar nicht schlecht, aber zu sehr nach Gurdjieff. Auf jedem Fall sollten wir die Emblematik fernöstlicher Philosophien wie Buddhismus, Hinduismus und Tantrismus meiden. Wir haben das alles gelesen und könnten es unseren Jüngern vermitteln, in die Programmatik einstreuen, synonyme Begriffe dafür verwenden, die Scharade der Heilserwartungen in Bewegung setzen. Magie, Tantrismus, Nagualismus, Schamanismus – all das ist ein anwendbarer Teil von uns, aber nicht unser Programm, unser Etikett. Und oft ist ja bei einer Sekte das Etikett wichtiger als der Inhalt. Natürlich brauchen wir Aufmerksamkeit, ein spektakuläres Heilsversprechen. Unsterblichkeit könnte das sein. Nicht im metaphorischen sondern im tatsächlichen materiellen Sinn. Wir behaupten, dass niemand in seinem Körper zu sterben braucht, der es nicht will. Der Körper ohne Organe Artauds als Geschäftsmodell, das Theater der Grausamkeit als Bewegungstherapie. Ansonsten sollte unsere Gesellschaft etwas mit Hirnforschung und Cyberspace zu tun haben, mit John C. Lilly und den Programmen des menschlichen Biocomputers, mit Wolf Singer, C.G. Jung und William James. Natürlich auch Friedlaender, Rimbaud, William Blake, Castaneda – aber mehr „irgendwie“, auf der Trickster-Ebene. Eine Sekte als Parodie einer Sekte. Jahresgebühr: 100 € für alle freien Mitglieder.

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