Famoudou Don Moye |
in
der zeit zwischen weihnachten & neujahr 2015/16 waren mein freund &
mitmusiker famoudou don moye, perkussionist des ‚art ensemble of chicago‘,
& seine frau dominique germain bei uns in wartaweil. während dieser tage
fuhren wir mit dem zug nach bad staffelstein. warum ausgerechnet nach bad
staffelstein? dazu folgende geschichte: moyes vater trat nach ende des zweiten
weltkriegs als 22jähriger in die amerikanische armee ein & wurde mit der 3511th
quartermaster truck company, bestehend aus unbewaffneten afro-amerikanern nach
dachau geschickt. dort kamen sie in kontakt mit zwei sehr abgemagerten
polnischen kz-insassen, nahmen diese bei sich auf (was natürlich in der
amerikanischen armee illegal war) & päppelten sie auf. die beiden, salomon
& peewee genannt, waren schliesslich wie freunde dieser schwarzen soldaten
& blieben über ein jahr bei ihnen. von dachau wurde die kompanie nach bad
staffelstein versetzt. die schwarzen soldaten wurden allgemein viel schlechter
behandelt als die weissen. sie hatten ihre eigenen, primitiveren camps &
ihr essen war wesentlich schlechter als das der weissen soldaten. nach
kriegsende waren nahrungsmittel nicht nur für die deutsche bevölkerung knapp,
sondern auch für die soldaten, besonders für die schwarzen. die situation
eskalierte eines tages, es war der 27. mai 1946, die schwarzen revoltierten
& traten in einen hungerstreik. was genau geschah, weiss man bis heute
nicht, aber am ende soll es hundert verletzte & vierzig tote soldaten
gegeben haben. die militärpolizei erschoss die eigenen soldaten, wahrscheinlich
wegen widerstands gegen die staatsgewalt. einer der toten war moyes vater. er
wurde im alter von 23 jahren nach ende des 2. weltkrieges in bad staffelstein
erschossen, als sein sohn grade drei tage alt war! - in bad staffelstein fanden
wir dank der rührigen museumsdirektorin & archivarin heidi waschka ein
fotoalbum & einen ordner mit unterlagen zu dieser quartermaster truck
company. sie erinnerte sich, dass sie vor acht jahren auf dem dachboden des
museums einen ordner mit der rückenbeschriftung ‚amerikanische besatzung 1946‘
gesehen hatte. diesen ordner konnte sie zwischen vielen anderen materialien von
zuunterst herausfinden. in dem monatsbericht des kommandanten dieser truck
company an die vorgesetzte behörde war nach diesem riot nichts verzeichnet von
einem aufruhr, sondern es war sogar unnötigerweise erwähnt, dass von keinem
nennenswerten vorkommnis zu berichten sei. dummerweise lag aber kurz nach
diesem riot in den amerikanischen akten die rechnung des säge- & hobelwerks
gebrüder rupp im nachbarort lichtenfels über das ‚lohnhobeln‘ von 279 qm
brettern, adressiert an die 3511th quartermaster company. wofür hätte diese
menge bretter sonst dienen sollen als für särge? – in der todesmitteilung des
headquarters an die witwe wurde als grund für das ableben ihres mannes
‚accidental shooting‘ genannt! - wir
fanden bei unserem besuch in bad staffelstein mit hilfe von frau waschka auch
den platz, wo die schwarzen soldaten gecampt haben. das war hinter dem
‚teibhaus‘, einer stillgelegten wirtschaft. dort habe ich mit einem
suppenlöffel unserer dortigen ferienwohnung ein minigrab gegraben, wobei eine
zum winterschlaf verkapselte helix pomatia zum vorschein kam, die ich vorsichtig
beiseite legte. moye legte erst einen flachen stein in die grube, dann einen
seiner metallarmreifen mit einer karte & seinem foto. daneben positionierte
ich die weinbergschnecke, gewissermassen als wächter. dann bedeckten wir alles
wieder mit erde & laub. dominique stellte eine brennende kerze auf, sigi
steckte eine vogelfeder neben die kerze & ich legte einen zweig mit
leuchtend gelben(!) beeren auf das ‚grab‘. zum schluss zog ich zur überraschung
aller noch ein piccologläschchen aus der tasche & begoss die stelle mit
sekt. vom rest hat jeder von uns noch einen schluck abbekommen.
hartmut
geerken
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