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Mittwoch, 29. August 2012

Amadeus Sternklotz



In der September-Ausgabe der weit verbreiteten Zeitschrift JAZZPODIUM (kann in jeder Bahnhofs-Zeitschriftenhandlung erworben werden) ist eine Besprechung von Amadeus Sternklotz erschienen:

The International Waitawhile Sun Ra Conventions. Hybriden-Verlag, Berlin 2012 (mimas atlas # 12). 5 CDs und Booklet. Auflage 75 Exemplare. 50 €.

„Gelobt seien alle heiligen Verrückten, die an diesem Mythos teilhaben“, schrieb Konrad Heidkamp einmal über Sun Ra’s Collected Poetry, The Immeasurable Equation (2005). Und fügte hinzu: „Er ist wahrer als die Geschichte.“ Eine überwahre Geschichte sind nun auch die vor fast 20 Jahren von Hartmut Geerken begründeten Sun Ra Conventions. Das muß so etwas sein wie ein extrem zwangloser Verein von hardcore-Fans, Spezialisten, Zufallsinteressierten, Profis und exotischen Gästen. Was sich dabei an musikalischen Begegnungen, Gesprächen, Forschungen ereignete, ist hier zum ersten Mal für eine größere Öffentlichkeit dokumentiert. Dieses Künstlerbuch im DIN A 5-Format, grauer Karton, 3,6 cm dick, enthält 5 CDs und ein fadengeheftetes, schön gedrucktes Büchlein von 40 Seiten. Darin ein interessanter Text, „Neutral-Punkt – Ra-Rassismus“, in dem Detlef Thiel all die deutlich souveränen, aber auch verhüllt resignativen Äußerungen zur Situation der Schwarzen in Ra’s Poetry versammelt. Weiter sechs s/w-Fotos von Konzerten in Kairo, 1971. Drei Gedichte. Ein Foto: Geerken und Trudy Morse (Jahrgang 1917), die auf hohen Stapeln des legendären Omniverse-Werkes thront. Drei Einladungsschreiben zu Conventions. Oskar Pastiors Gedicht sun ra (1995). Benjamin Franklins (nicht der Blitzableiterer, sondern ein Jazzkritikus) Bericht in Coda (Juli/August 2003). Eine Original-Tuschzeichnung von Thiel. Drei Zeichnungen von Hartmut Andryczuk, dem ideensprühenden Verleger: John Cage meets Sun Ra. Das Foto einer Papierserviette mit Graphiken und Notizen von Ra’s Hand. Ein getippter Bericht über jenen Stromausfall im Bayerischen Rundfunk, April 1997, der die Nachproduktion von Geerkens polymedia-event no point fast vernichtet hätte. Eine Liste der 17 bisherigen Conventions, mit Tops, Teilnehmern, Kulinaria und Dokumenten. Ein Konzertplakat, Philadelphia 1985. Und das Verzeichnis der 5 CDs. Diese enthalten den akustischen output von vier Conventions. Trudy im karaoke-Rezital zur LP Lanquidity und mit freiem Gesang zu Geerken auf der Sun Harp (1999). Ausgewähltes Material aus Sanyang, Gambia (2002): nächtliche Klangbilder im Busch, Fledermäuse (ultra-sono!) und eigenartige Vogellaute; ein lokaler Dichter rezitiert; zwei griots tragen zum islamischen Neujahrstag ein langes Preislied auf Sunny vor (kora, voc, perc); Dorfkinder singen fröhlich „Space is the Place“ und „Nuclear War“; Palmweinversionen und mehrere Stücke des Sun Ra Tribute Trios (balafon, bolongbato, kongoma, voc, perc). Übrigens lassen sich hier tatsächlich die wahren Wurzeln des Jazz studieren, etwa die Funktionen des Bass, vor allem des balafon, das wie ein Piano zur Intro dient, die Soli ein- und ausleitet – „The inside of the tune (the bridge) is the part that makes the outside sound good“ (Thelonious Monk). Von den Rhythmen ganz zu schweigen. Strange Herrschings, inspiriert vom Album Strange Strings, vereint diverse Chordophone plus Tuba (2003). Bei spätnächtlichen Gong-Sessions im Freien agierten an die 20 Teilnehmer an Geerkens großer Sammlung (2006). Und zuletzt Trudy im Gespräch, sie erzählt von ihren ersten Begegnungen mit Sunny, von ihren Auftritten mit dem Arkestra in aller Welt, von Cecil Taylor, von ihrer love affair mit Marshall Allen, von Sunnys sogenanntem Tod im Krankhaus, den sie begleitete. – Hier überall ist nicht nur reine, also heilig verrückte Liebhaberei am Werk. Dazu ist der Fall Sun Ra viel zu gravierend.


Die Norm auf reboot.fm



reboot.fm ist ein freies Künstlerradio aus Berlin und bietet „Kunst, Diskurs & elektronische Musik live aus dem Haus der Kulturen der Welt“ an. Frequenz: UKW 88,4 MHz in Berlin und 90,7 MHz in Potsdam.

Unter dem Titel „Die Norm“ spricht Wolfgang Müller mit dem Verleger und Künstler Hartmut Andryczuk über Normalität, den Unterschied zwischen Künstlerbüchern und Kunstbüchern, schlechte Kunst mit hohen Preise in den Zeiten des Neoliberalismus, Weitere Themen sind Aerosol und die konzeptuelle Schwäche von Damien Hirst, Jonathan M. und Guido W., orthodoxe und grenzüberschreitende Lautpoesie, die unglaubliche Valeska Gert, der Weg vom Gärtner zum Künstler und vom Künstler zum Garten, das System Hartz IV und unsinnige Fortbildungsmassnahmen wie Bewerbunsgtraining und Deutschkurse für arbeitslose Deutschlehrer. Das Gespräch schließt mit einer Überlegung zum 20. Jahrestag der „Fremdenfreundlichkeit“ in Rostock-Lichtenhagen und warum Bundespräsident Gauck ausgerechnet eine Eiche pflanzen lässt. Von der Eiche zur Eichelmast und einer Aufnahme von Hartmut Geerken mit 300 schnarchenden Schweinen in Andechs. 

Das Gespräch wird am 1. September um 20 Uhr gesendet. 

Weitere Gespräche zum Thema folgen - mit der Historikerin, Kuratorin und Autorin Dr. An Paenhuysen - über Belgien, Lütticher Waffeln und Louise Bourgeois. An Paenhuysen hält ein Plädoyer für das Recht auf Faulheit und die kreative Energie, die stundenlanges Herumsitzen in Cafés erzeugt. 

Der letzte Gast ist Peter Penewski. Der kannte Valeska Gert noch persönlich, erzählt von Nico aka Christa Paeffgen, den Modeschöpfer Heinz Ostergard und einer Begegnung mit Andreas Baader noch vor den RAF-Zeiten (es gibt ein sexy Foto von Andreas Baader, das Herbert Tobias aufnahm). Darüber wollte aber Penewski nichts weiter verraten und sagte zu Wolfgang Müller: „Das erzähle ich dir mal privat“.

Die Gespräche über Normalität werden von folgenden Einspielungen begleitet: Frieder Butzmann ("Telefonat mit Ulfur Hródolfsson"), Valeska Gert („Baby“), Michael Lentz mit V. Scherstjanoi („hahase“), Hartmut Geerken („Die Mönche von Err-ling“), Mutter („Mach doch einfach“), Susanne Blech („Wiedervereinigung“), Georg Kreisler („...du bist neurotisch“) u.a.m.

Weitere Sendezeiten der Gespräche unter laufender Info:

http://reboot.fm

Direkter Link:

http://soundcloud.com/rebootfm/die-norm-wolfgang-m-ller

Sonntag, 12. August 2012

Manchmal liegt irgendwo ein Blade rum


Banf? Ja, wir haben richtig verstanden: Banf!

Der Daten-Messie fand im Archiv seiner vergessenen Aufzeichnungen eine Unterhaltung zweier Reisender im Zugabteil. Wir waren auf dem Weg zur Buchmesse Leipzig, verstanden kein Wort und versuchten alles zu notieren, was wir nicht verstanden. Arno Schmidt lässt grüßen.

" - Also jeht ja nich.
- Doch jeht.
- Die archivieren die Daten ganz kräftig. Ick muss ma kieken, wieviel da reinjekommen iss.
- Theoretisch dieses Rausholen kann ab Donnerstag starten. Wie lange det dauert.
- Ick hoffe,det iss nicht so viel.
- Wieviel Terra sind det?
- Ick wees jetzt ooch nich. Für Redundanz bestellt.
- Ick hätte lieba ´nen größeren Cache.
- Vielleicht allet für DSM oder T2-Sachen.
- Auf jedem Fall ham wa den Storage, um die Sachen zurückzuholen.
- Hauptsache, ick komm Remote druff.
- Rausholen jeht denn schon ma. Reinschieben och.
- Ach, det Reinschieben der Daten.
- Ick lasse ein Rollback möglich machen. Die Admira installier ick uff de 14.
- Wat denn och bedeutet. Wenn wa jetz VPM2 machen, machen wa Berlin soweit fertig, also zahntechnisch. Und die Redundanz nach Leipzig.
- Die Updates können wa ja ooch am 20. machen.
- Für alle 3 Server.
- Aber die TPS-Version für den NDR iss alt.
- Bevor wa den Export machen.
- Würde ick für sporlich halten. Wie ist ´n det  für den 20.?
- Kriej´ ick schon hin.
- Irgendwann schalten wa ´t nachts ab.
- Sind ja nur noch drei Wochen bis Ostern.
- Ne JPFS, am liebsten ooch Redhat. Einma durchspielen uff de 15. Erss ma wissen, wie det Update funktioniert.
- Ja, cool.
- Jut, das die Admira kommt.
- Auf meenen Schreibtisch kam ne Lieferung mit Windows-Lizenzen.
- Ick sehe nie ne Banf von ner Lieferung.
- Ick hab dann Katja und Jakob gleich jeschrieben, dass die Lizenzen da sind.
- Als die Admira 12 weg war, hatt´ ick keen Ohr. Sind denn Johannes und Chris involviert? - Die Server sollen schnell installiert werden, aber sind noch nich da.
- Irgendwas muss Jakob ja ooch ma machen.
- Wenn so ´ne Banf ma jemacht wird, muss Doro det ooch dokumentiern. Manchmal liecht irgendwo ´n Blade rum und keener weeß, wofür”...


Freitag, 10. August 2012

Den Chinesen ist doch alles egal!

Valeska Gert (Foto von Herbert Tobias
aus der Sammlung von Wolfgang Müller)

Ein gelber Benachrichtigungsschein der DHL lag im Briefkasten: »Ihre Post befindet sich in der Manteuffelstr. 99«. Ich holte sie ab im »Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf«, dessen Inhaber im Jahr 1988 mit hundert anderen über die Mauer stieg, vom besetzten Kreuzberger Kubat-Dreieck aus, und ergänzte im Anschluß das Manuskript meines noch in diesem Jahr erscheinenden Buches »Subkultur Westberlin 1979 – 1989/Freizeit« um einen letzten O-Ton.

Meine Büchersendung im Regal des Gemischtwarenladens war gewaltig. Da meine Wohnung klein ist, kaufe ich keine allzu großen Bücher, habe regelrechte Angst vor Coffee-Tablebooks. Nicht selten lenkt ja der Umfang vom dünnen Inhalt ab. Mit Schaudern erinnerte ich mich an Jörg Immendorffs illustrierte Bild-Bibel, die von Bild- bis taz-Kunstexperten hochgeschätzt wurde und heute bei Joker’s für 3,99 Euro zu haben ist.

Das Paket enthielt eine dicke Schwarte mit roten Noppen. Die Typographie auf dem Cover sollte an Noten erinnern: »A house full of music« hieß dieser Ausstellungskatalog des Instituts Mathildenhöhe Darmstadt. Haus voller Musik? Vage erinnerte ich mich an eine Mail, in der eine Assistentin des Instituts mich um ein Gratis­exemplar meines Buchs »Valeska Gert. Ästhetik der Präsenzen« gebeten hatte, »für Forschungszwecke«. Leider mußte ich ihre Bitte abschlagen, da ich keine Exemplare mehr besitze.

Beim Durchblättern der bunten Seiten – 468 Bilder für 49,90 Euro – stieß ich auf ein vertrautes Foto, das Valeska Gert zeigt. »Pause« ist sein Titel. Käte Rupp hat es 1919 gemacht. Erstmals wurde es 1928 publiziert, in einer umfassenden Gert-Abhandlung von Frank Hildenbrandt. Dem Darmstädter Katalog war nun neben einer ganzseitigen Abbildung der »Pause« zu entnehmen, daß diese kein eigenständiger Tanz, sondern eine Sequenz in »Canaille« gewesen sei. »Canaille« sind vier durchnummerierte Fotosequenzen in Hildebrandts Buch betitelt. »Pause« ist nicht unter diesen Fotos, sondern wie andere Tanzfotos einzeln abgebildet. Eine Quellenangabe, mit der sich die Sequenzthese nachvollziehen ließe, suchte ich im Katalog vergeblich. Überlegungen des Verfassers zur Pause als Tanzsequenz und technischem Element waren nicht auf seinem Mist gewachsen, auch wenn er den Anschein zu erwecken versuchte. Er konstruierte Konflikte zwischen Forschungsansätzen, spielte damit seine unterschlagenen Quellen gegeneinander aus, vermischte dokumentarhistorische Ebene mit ästhetischer Interpretation – dem Vermächtnis der lange auf Kabarett und schrille Tänze wie »Canaille« reduzierten Valeska Gert, die leider 1978 verstorben ist, erweist man so eher Bärendienste.

»A house full of music« hat repräsentativen Charakter. Geld war offensichtlich vorhanden. Betont wird, daß alles unter großem Zeitdruck organisiert wurde. Pause. Die Auswahl der Künstler orientiert sich am Kanon. Dazu kommen Newcomer wie Gregor Hildebrandt. Der klebt Tonband an Tonband sauber auf Leinwände. Auf diese Weise verbindet er nach Ansicht der Kuratoren offenbar sehr direkt Musik und Kunst. Die Ergebnisse zieren sehr geschmackvoll die Wände. Fleißig wiederholt er seine Ausführungen. So schafft er ein Kunstmarkenprodukt, das bedeutungsschwanger und verkäuflich ist. Schwer beeindruckt assoziierte Kunstkritikerin Christiane Meixner 2009 im Tagesspiegel: »Tausend Meter Kassettenband. Die im Kunstwerk konservierte Musik setzt sofort Phantasien frei. Jeder hört sein eigenes Lied.«

Bevor die neo-individualliberale Phantasie auch mit mir durchgeht, wende ich mich dem Vorwort des Wälzers zu, in welchem der Anspruch bekräftigt wird, Kunst und Musik endlich »gleichberechtigt« zu präsentieren. Als Beispiel dient Christoph Schlingensiefs »Operndorf in Afrika«. Diesem wird die vollendete Verschmelzung zwischen »Kunst und Leben« attestiert. Zur Unterfütterung wird das populäre Mißverständnis von ­Joseph Beuys als dem großen Verschmelzungskünstler bemüht – dabei besteht dessen eigentliche Leistung darin, die jeweiligen Grenzziehungen überhaupt wahrnehmbar gemacht zu haben. Es ist zu vermuten, daß Beuys’ Forderung nach »Erhöhung der Berliner Mauer um 5 cm (bessere Proportion!)« aus dem Jahr 1964 in mancher Akademie bis heute falsch verstanden wird. Empört drohte damals das nordrhein-westfälische Kultusministerium dem Professor mit Disziplinarmaßnahmen.

Die weiße Kolonialphantasie, die Regisseur Werner Herzog und sein Darsteller Klaus Kinski 1982 als Opernfanatiker im südamerikanischen Regenwald mit »Fitzcarraldo« thematisierten, wiederholte Aktionskünstler Schlingensief 30 Jahre später zunächst in Südamerika, dann in Afrika. Für die Aktion »Spitzenköche für Afrika« kocht inzwischen auch DB-»Punkrocker-Koch« Stefan Marquard ein Benefiz-Süppchen. Die Mission der neuen, aufgeklärt-christlichen Eroberer gilt nicht mehr einem »Zivilisierungsauftrag« – die segensreiche Hochkultur eilt heute im Gewande der Reparationsleistung für die gescheiterten »Kultivierungsversuche« der kolonialen Vergangenheit herbei: Mit integrierter Schule im Opernhaus in einem der ärmsten Länder der Welt – oder auch mit »Mädchenschulen« in Afghanistan.

Kommt bei dieser ganzen Charity-Kulturindustrie letztlich nicht vor allem elender, neokolonialer Erlösungskitsch heraus – rein künstlerisch betrachtet? Wo ist hier eigentlich die Kunst, wo die Musik? Warum fehlt Wolfgang Niedecken von BAP im exklusiven »Haus der Musik«? Immerhin denkt der Rockmusiker auch äußerst wohlwollend von »uns«, beziehungsweise von sich: »Die Europäer versuchen in Afrika, Korruption auszuschalten und nur mit Staaten zusammenzuarbeiten, in denen die Menschenrechte zumindest in einem gewissen Standard vorhanden sind. Den Chinesen ist das alles vollkommen egal, Hauptsache, sie kommen an die Rohstoffe.« (Handelsblatt, 20. Juli 2012).

Apropos Rohstoffe. Modeschöpfer Karl Lagerfeld hat das Erscheinen eines dünnen, aber inhaltlich unglaublich reichen, frischen Büchleins der Autorin Valeska Gert in seiner L.S.D.-Buchreihe ankündigt. Im Jahr 1950 in Gerts Selbstverlag erschienen, war es lange nur antiquarisch erhältlich: »Die Bettlerbar von New York« – voller großartiger Ideen und Konzepte, verfaßt in Gerts wunderschöner klarer Sprache! In der Verlagsankündigung erwähnt Karl Lagerfeld die »Pause« als herausragendes und eigenständiges Tanzelement dieser von den Tanz-, Musik- und Kunstakademien bis in die jüngste Gegenwart übersehenen Künstlerin. Sein Gert-Buch zeigt, daß er zu schätzen weiß, wieviel Substanz ihre Künste für die Gegenwart bereithalten. Karl Lagerfeld schenkt Valeska Gert ein schönes, maßgeschneidertes Kleid.

Wolfgang Müller

http://www.jungewelt.de/2012/08-04/015.php

Donnerstag, 9. August 2012

Sprechfunk mit Verstorbenen



Friedrich Jürgenson war eine schillernde Persönlichkeit. Geboren im Jahre 1917 in Odessa studierte er nach dem ersten Weltkrieg Malerei an der Kunstakademie Odessa sowie Gesang und Musik am dortigen Konservatorium. 1925 führte er seine Malerei und Gesangstudien zunächst in Estland fort, wechselte dann nach Berlin und startete anschliessend in Palästina eine erfolgreiche Karriere als Maler und Opernsänger.
1938 ging Jürgenson nach Mailand, erkrankte und gab bald darauf seine Karriere als Profi-Sänger auf und widmete sich der Malerei. Er zeichnete bevorzugt Porträts, Landschaften und Stilleben.

Wegen des zweiten Weltkriegs wechselte Jürgenson ins neutrale Schweden, erlernte dort seine zehnte Fremdsprache und porträtierte in den Folgejahren wohlhabende Schweden und Stockholmer Landschaften. 1949 überzeugten seine Skizzen von den Ausgrabungen in Pompej sogar den Heiligen Stuhl von seinem Talent. Als Papst Pius XII. seine Arbeiten sah, bat er darum, von ihm porträtiert zu werden. Am Ende entstanden vier Porträts. 
Im Jahre 1957 kaufte Jürgenson ein Tonbandgerät, um seinen Gesang aufzuzeichnen, wobei er eigenartige sphärische Geräusche und telepathische Botschaften wahrnahm, die er aber noch nicht als die Stimmen aus dem Jenseits identifizierte sondern seine künstlerische Überspanntheit dafür verantwortlich machte. Im Frühjahr 1959 berichtete er, die Botschaft einer Zentral-Überwachungs-Station im Weltraum erfahren zu haben, von der die Menschheit beobachtet würde. Er versuchte, diese Botschaften auf dem Tonband zu dokumentieren. Während er zunächst an Stimmen aus dem All glaubte, war er sich später sicher, die Stimmen Verstorbener „von der anderen Seite“ zu hören. Ein bestimmtes Erlebnis hätte sein Leben total verändert. Beim Abhören von aufgezeichneten Vogelstimmen habe er auf Band die Stimme seiner verstorbenen Mutter gehört, die ihn mit seinen Spitznamen angesprochen habe. 

1964 veröffentlichte Jürgenson das Buch Rösterna Från Rymden, eine tagebuchartige Dokumentation seiner Tonbandstimmen. An diesen paranormalen Forschungen waren namhafte Wissenschaftler wie Friedbert Karger vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik und der Parapsychologe Hans Bender aus Freiburg sehr interessiert. 1967 erschien sein Buch in Deutschland unter dem Titel „Sprechfunk mit Verstorbenen“ und wurde bis in die 1990er Jahre neu aufgelegt. 

Zur Zeit kann die Dokumentation von Jürgenson als PDF heruntergeladen und gelesen werden. Rechtliche Probleme scheint es dabei nicht zu geben. 

Heute ist es im esoterischen Mainstream normal, mit den Toten zu reden. In den 1950er Jahren war das noch ein Novum. Und gibt es das? Stimmen aus dem Jenseits? Eigentlich ist es nicht zu beantworten. Auch wenn für den Wahrnehmungsforscher Friedrich Jürgenson die Frage geklärt ist, lässt sich die Quelle der Stimmen nicht eindeutig identifizieren. Hören wir dort Nachrichten von jenseitigen Wesen oder interpretieren wir die indifferenten Sprach- und Lautäußerungen zu sinnhaften und geheimnisvollen Aussagen? 

Für die Psychiatrie ist das sicher eine Art Psychoseforschung. Und so fragt sich Jürgenson am Anfang seiner Studien, ob er nicht dabei ist, schizophren zu werden. Aber eigentlich spricht alles dagegen. „Dennoch vernahm ich Stimmen um mich herum, ja sogar aus dem Brausen meines elektrischen Rasierapparates konnte ich deutlich jene Frauenstimme heraushören, die mit unermüdlicher Beharrlichkeit nur jene wohlbekannten Rufe zuflüsterte. Bitte - bitte Kontakt halten - hören - hören- am Apparate hören - bitte Kontakt halten...Sollte ich wirklich einer mentalen Störung zum Opfer gefallen sein? Der Gedanke erschien mir lächerlich. Ich schlief ausgezeichnet, wurde nie von Ängsten oder irgendwelchen Zwangsvorstellungen belästigt. Mein Konzentrationsvermögen funktionierte einwandfrei, und auch sonst schien bei mir körperlich und geistig alles in bester Ordnung zu sein.“

Das Buch ist einfach geschrieben und wirkt mit all seinen Kuriositäten sehr offenherzig. Gelegentlich treten auch Hitler und Stalin auf. „Eines Abends hatte ich ein eigentümliches Gesangssolo eingespielt. Die Stimme - es war ein klangvoller Bariton - erinnerte lebhaft an Hitler. Der Text des Liedes hätte ebenfalls von Hitler erdichtet sein können, denn er entsprach Hitlers postmortaler Mentalität. Allerdings wusste ich damals noch nicht, daß Hitler tatsächlich einen wohlklingenden Bariton gehabt hatte, denn erst im Frühjahr 1963 fiel mir ein interessanter Artikel in die Hand, der von zwei Wiener Musikern verfaßt war und aus dem hervorging, daß Hitler in seiner Jugend an der Wiener Oper einmal Probe gesungen hatte, jedoch - weil ihm ein Frack fehlte - an der öffentlichen Generalprobe nicht teilnehmen durfte. Ein Frack hätte vielleicht Europas Schicksal verändern können...“

Der schwedische Künstler Carl Michael von Hausswolff wurde durch das Werk von Jürgenson inspiriert und zeigte eine umfassende Retrospektive seines Gesamtwerkes unter dem Titel „Friedrich Jürgenson - From the Studio for Audiscopic Research“. Eine andere Arbeit ist die Sound-Skulptur „Jürgenson 1485.0 KHZ". Ein kleines Radio überträgt dabei ständig auf dieser Frequenz. 
Im Jahre 2004 veröffentlichte die Berliner Gruppe „Die Tödliche Doris“ ihre LP „Fallersleben“, eine „Rückführung eines im Äther verschwundenen Konzerts vom 3. Februar 1981 mit Hilfe eines Computerpsychophons.“ 

Sprechfunk mit Verstorbenen - PDF
http://www.transkommunikation.ch/dateien/diverse_tbs_infos/Friedrich%20Juergenson%20-%20Sprechfunk%20mit%20Verstorbenen.pdf

Verein für Transkommunikations-Forschung
http://www.vtf.de/kontakt.shtml

Carl Michael von Hausswolff
http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Michael_von_Hausswolff

Die Tödliche Doris - Fallersleben
http://www.discogs.com/Die-Tödliche-Doris-Fallersleben/release/384442

Okkulte Stimmen - Mediale Musik
http://www.suppose.de/texte/okkult.html

Sonntag, 5. August 2012

Weird 10.8 (Mountain Lion)

Lässt sich nicht öffnen, obwohl Gatekeeper sagt, dass er sich öffnen lässt?

Folgende verzweifelte Nachricht eines Freundes, der unter dem Betriebssystem Mac OS X entwickelt, erreichte uns heute:
Nach verifiziertem Code Signing passiert folgendes unter dem neuen Betriebssystem „Mountain Lion“:
Mit 10.8 heruntergeladen gehen meine Programme nicht unter 10.8. Meldung:  Job failed to exec (3) for weird reason: 13.
Mit 10.6 heruntergeladen gehen alle Programme vom Netzlaufwerk unter 10.8. Das Programm „Gatekeeper“ findet es gut.
Vom Netzlaufwerk auf 10.8 kopiert gehen sie nicht. Job failed to exec (3) for weird reason: 13
Kein Problem mit dem Gatekeeper. Zurück auf das Netzlaufwerk kopiert gehen sie wieder.
Nachdem ich die Code Signing Identity zum Test gewechselt habe:
Mit 10.8 heruntergeladen geht das Programm unter 10.8. Sehr Schön.
Auf das Netzlaufwerk kopiert funktioniert das Programm vom Netzlaufwerk. Auch gut.
Aber: Vom Netzlaufwerk zurück kopiert geht das Programm nicht mehr. 
Job failed to exec(3) for weird reason: 13 
Erneut auf das Netzlaufwerk kopiert geht das Programm wieder vom Netzlaufwerk.
Das ist doch Murks. Oder wie Apple selber so schön sagt: weird.

Der Daten-Messie fragt: kann jemand helfen? Kennt jemand das Problem? Gibt es irgend jemanden da draußen, der Gatekeeper deaktiviert hat? Untersucht jemand die Quarantäne-Bedingungen des Heruntergeladenen? Bitte alle Informationen als Kommentare zu diesem Eintrag senden und nicht an den Geheimdienst von Apple.

Gatekeeper:

Mac OS X Entwicklerforum:

Donnerstag, 2. August 2012

Paramykologie


Hartmut Geerken, aus dem atlas der paramykologie

"nach über 10 jahren betrat ich zum ersten mal wieder das gebäude des bayerischen rundfunks, um für den deutschlandfunk, köln, eine 'kollegenaufnahme' zu machen. sabine küchler kam zu diesem behufe extra aus köln, um mich in ein eineinhalbstündiges gespräch zu verwickeln. mir fiel sofort auf, dass frau küchler es gut mit mir meinte und sich hervorragend auf das interview vorbereitet hatte. sie kannte dinge von mir, die ich längst vergessen hatte. unser gespräch wurde immer wieder aufgelockert durch eigene musik mit dem trio tchicai/geerken/moye, dem art ensemble of chicago und afrikanischen musikern. es ging natürlich auch um meine literatur, um kindheitserinnerungen, um meine erste veröffentlichung aus dem jahr 1949, um die bejammernswerte situation der derzeitigen westlichen welt, um mykologie und und und... der titel der sendung heisst: "Zwischentöne. Musik und Fragen zur Person. Der Schriftsteller Hartmut Geerken im Gespräch mit Sabine Küchler". ausgestrahlt wird die sendung vom deutschlandfunk (dlf) am sonntag, 5. august, 13.30 bis 15.00, nur kurz unterbrochen durch die 13-uhr-nachrichten."

(Hartmut Geerken)

Nach eigener Auskunft ist Hartmut Geerken: "autor, komponist, musiker, filmemacher, darstellender künstler, schauspieler, holzfäller, shiitake- & hummelzüchter, mykologe, archivar, ausstellungsmacher, herausgeber zahlreicher autoren aus dem umfeld des literarischen expressionismus und dada." Der 1939 in Stuttgart geborene Geerken wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. zweimal mit dem renommierten Karl-Szuka-Preis für Radiokunst. Seit 2006 gibt er die Werke des Philosophen und Satirikers Salomo Friedländer (alias Mynona) in einer 30-bändigen Ausgabe heraus.

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