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Sonntag, 10. August 2014

Carlos Castaneda

H.A., Der Freizeit-Schamane (erscheint Herbst /Winter 2014)

Als junger Mann saß mir auf einer Bahnfahrt nach Kassel ein junger Mann gegenüber. Der kam aus Bolivien und sagte, dass er immer ein Messer bereit hält, dass er in seinen Stiefeln verstecken würde. Dann meinte er unvermittelt zu mir, ich würde ihn an Carlos Castaneda erinnern. Er gab vor ihn zu kennen. Vermutlich ein Spinner. 

Das war Ende der 1970er Jahre. Jeder, den ich kannte, kannte die Bücher von Castaneda. Don Juan Matus, der toltekische Schamane, wurde legendär. Die Welt, in die man beim Lesen eintauchte, war fremdartig, phantastisch, eine andere Wirklichkeit neben den konstruierten konventionellen Wirklichkeiten. 

In diesen ersten Büchern versuchte sich Castaneda als seriösen Anthropologen und Ethnologen vorzustellen, der Feldforschung in der Wüste von Sonora und anderswo betrieb. Für sein Buch „Die Reise nach Ixtlan“ bekam er sogar einen Doktortitel.

Spätestens hier wurde die Öffentlichkeit misstrauisch, was ein wenig merkwürdig erscheint, da schon für fragwürdigere Arbeiten Doktortitel vergeben wurden. Waren diese Berichte authentisch? Existierte Juan Matus oder Genaro Flores wirklich? Gibt es überhaupt einen Peyotl-Kult bei den Yaquis? Und es mehrten sich die Stimmen, die Castaneda als Betrüger und Scharlatan entlarven wollten. Man hatte dafür den Begriff des New-Age-Gurus. Castaneda war nicht mehr seriöse Wissenschaft sondern Esoterik.

Seriöse Wissenschaft und Esoterik, die sich seriös gibt – beide Bereiche können einem ziemlich auf die Nerven gehen. Was heute empirisch bewiesen erscheint, kann in 50 Jahren schon völliger Unsinn sein. Die Wissenschaftsgeschichte ist voller Beispiele. Andererseits versucht sich die Esoterik seriös zu geben, was oftmals ziemlich peinlich ist. 

Und Castaneda hat natürlich Nacheiferer. In dem Internetforen tauschen sich Adler-Wolfgang und Nagual-Wilfried mit einem Hobby-Gehirnforscher über den Sitz des Montagepunkts aus. 

Und? Entsprechen die Berichte von Carlos Castaneda über Juan Matus, anorganische Wesen, leuchtende Eier, Mescalito und den Fliegerwesen, denen die Menschen als Nahrung dienen nun der Wahrheit? Das ist eigentlich gar nicht wichtig. Castaneda ist ein Bestseller-Autor und seine Bücher sind in erster Linie einfach gut geschrieben. Wenn seine Berichte wahr sind, so sind sie hervorragende Dokumentationen. Entsprechen sie seiner eigenen Suggestion, sind sie einfach genial. 

Man weiß nicht so recht und die Fragen bleiben ungeklärt. 1998 starb der Autor an Leberkrebs und seine Mibewohnerinnen verschwanden daraufhin spurlos. In der Wüste von Nevada fand man nach Jahren ein menschliches Skelett, das man seiner Adoptivtochter zuordnen konnte. 

Der Mythos Castaneda begann in der Wüste und endete in der Wüste. Eigentlich ein Stoff für Hollywood. Ein filmischer Castaneda-Zyklus könnte in der Liga von "Harry Potter" oder dem "Herrn der Ringe" spielen. Aber niemand scheint sich da wirklich heranzutrauen. Dafür ist Castaneda dann doch zu speziell. 

BBC-Dokumentation: 
https://www.youtube.com/watch?v=hlI2gvSjJ4Q

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