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Mittwoch, 30. Mai 2012

Besuchszeit: Herrsching - Marbach - Pforzheim - Baden-Baden




Herrsching.
Ich lese laut den Krankenhausbericht von Hartmut Geerken, der von regelmässigen Darmgeräuschen in allen vier Quadranten spricht. Ausserdem erwähnt der Privatklinikarzt seinen Ex-Nikotin-Abusus. Geerken hat aber bereits schon vor 40 Jahren mit dem Rauchen aufgehört. „Patient hat sich auf eigenen Wunsch entlassen“.
Am Ammersee kann man die Alpen sehen. Die Selbstbedienungs-Fressorgien mit den Schweinshaxen und Weißwürsten auf dem Kloster Andechs nehmen wir in diesem Jahr nicht wahr. Stattdessen Kurpark, Warteweil und gebratene Doraden mit Kresse und Petersilie aus dem Garten. 
Rothenfeld.
In dem ehemaligen Kloster nahe Andechs ist heute eine Justizvollzugsanstalt. Hier verkaufen Polizisten Eier. Strafgefangene sitzen vor der Verkaufsstelle und trinken Kaffee in der Sonne. Nebenan - ein kleines Ziegengehege. Gedruckte Informationen über diese Einrichtung gibt es nicht. Niemand weiß etwas zu ihrer Geschichte - weder die Polizei noch die Gefangenen. Ich soll im Haupthaus fragen. Ich muss erst die Gefangenen in der Sonne fragen, wo das Haupthaus ist. Es ist dort, wo der eigentliche Knast ist. Die Tür öffnet sich mit einem Summer. Der Mann am Schreibtisch findet meine Neugier gar nicht lustig, weiß aber auch nichts zu der Geschichte der JVA. Ich soll im Internet suchen. Auf diese Idee bin ich noch gar nicht gekommen. Hartmut Geerken meint zu dem Polizisten, dass ich es hier so idyllisch finden würde. Was müsste ich denn tun, um hier leben zu können? Der Beamte antwortet, zu einer Haftstrafe von mindestens sechs Jahren verurteilt werden. 
Marbach am Neckar.
Mit Frau Bendt und Herman Moens vom Literaturarchiv Marbach esse ich einen Marburger Hamburger. Er ist gut, lässt sich aber nicht schneiden. Wie weit ist eigentlich Marburg von Marbach entfernt? Und warum wird ein Hamburger im Schwabenland nach einer Stadt in Hessen benannt? Das Literaturarchiv ist ein großartiger Bau - Waschbeton mit viel Glas und begrüntem Flachdach. Aus Frau Bendt´s Büro schaut man direkt auf das Neckartal. Hier hätte man noch einen besseren Blick auf den Exoplaneten Melancholia als von Lars von Triers Schloss aus. Ich schaue mir das Literaturmuseum und das Schiller-Nationalmuseum an. Anschliessend zeigt mir Herman Moens Teile des Archivs. Auch die Schutzumschläge der Bücher werden eigens aufbewahrt und geschützt. Alles ist da. Privatbibliotheken von Autoren, Programme der Verlage, Gesamtwerke in verschiedenen Sprachen. Ich blättere in einem Buch aus der Bibliothek von Paul Celan und suche nach Bleistiftnotizen, finde aber nur ein handgeschriebenes Ausrufungszeichen. Mit Herman Moens zurück zu meinem Hotel. Die Fremdenzimmer liegen über einer Metzgerei. Ich bezahle für eine Nacht 38 Euro. Wohin fahren wir jetzt? Nach Ludwigsburg oder Besigheim? Wir entscheiden uns für Letzteres, hören während der Fahrt „Innundir Skinni“ von Ólöf Arnalds und sind nach etwa 20 Minuten in dieser typischen schwäbischen Puppenstubenstadt mit Türmchen, Gassen, Fachwerkhäusern und Kopfsteinpflasterstraßen. Auf das Abendessen müssen wir eine Stunde warten. Zurück in Marbach kehren wir am Fuße der Stadt in ein anderes Lokal ein. Die Wirtin dort sucht ständig nach ihren Putzlappen. Das Zimmer im Hotel ist stickig. Ich will das Fenster ganz öffnen und schaue auf einen fetten Mann der im Bett vor dem Fernseher sitzt. Er blickt sehr böse zurück. Neben ihn liegt der nackte Arsch einer Frau. 
Pforzheim.
Die Stadt wurde im zweiten Weltkrieg vollständig ausgelöscht. Den Grund dafür weiß man nicht. Wurden hier Bombenzünder hergestellt? Vor der Stadt liegt der mittlerweile grüne „Monte Scherbelino“ - mit den Trümmern der alten Stadt. Der höchste Turm des heutigen Pforzheim ist das Sparkassengebäude. Er hat der Kirche mit dem Neonkreuz den Rang abgelaufen. Ich mag die Stadt. Hier ist nichts puppenstubenmäßig. Die Gebäude (Parkhotel, Rathaus, Promenade) wurden in den 50er, 60er und 70er Jahren gebaut. Mein Gastgeber führt mich durch die Straßen und zeigt mir das Schmuckmuseum. Zur Zeit läuft dort auch eine Sonderaustellung mit zeitgenössischem Schmuckdesign aus Israel. 
Baden-Baden.
Die Immobilien werden in deutscher und russischer Sprache angeboten. Der ausgestellte Schmuck in den Schaufenstern ist nicht ausgepreist. Schmuck-on-demand oder Preis nach Vereinbarung? Mein Gastgeber und ich bleiben nur eine halbe Stunde, sehen einen Teil des Kurparks, einen Teil der Fußgängerzone und Jugendliche in kurzen Hosen, teuren Sonnenbrillen und einem kleinen Hund an der Leine. Eigentlich wollte ich hier einen Spazierstock mit dem Wappen von Baden-Baden kaufen. 

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