Links: Saxifraga granulata. Rechts: Saxifraga paniculata |
Für die deutsche Buchkunstszene war er einer der großen Sammler, der sich auf dem Gebiet der bibliophilen Bücher des 20. Jahrhunderts spezialisiert hatte.
Er selbst eine äusserst distinguierte Erscheinung, groß gewachsen, buschige Augenbrauen, ein neugieriges und waches Wesen.
Zu jeder Frankfurter Buchmesse gehörte er zu der kleinen Schar von Privatsammlern, zu denen die Künstlerbuch-Verleger eine familiäre Beziehung aufbauten. Vor einigen Jahren verabschiedete er sich dann, zog sich mehr und mehr von der Szene zurück.
Ich erinnere mich gut an einen privaten Besuch bei ihm in München-Schwabing. Er zeigte mir einen Teil seiner Sammlung: die heute wertvollen Bücher der Cranach-Presse von Harry Graf Kessler und der Bremer Presse von Willy Wiegand. Sowohl die Cranach- wie auch die Bremer Presse gehören heute zu den herausragenden bibliophilen Erzeugnissen, die sich am Anfang des 20. Jahrhunderts gegen die industrielle Buchproduktion wendeten.
Victor Günthert war aber nicht nur ein Spezialist der Bibliophilie; er sammelte auch zeitgenössische Künstlerbücher, die andere Präferenzen als Satz, Druck, Typografie, Einbandgestaltung oder Papierauswahl hatten. Zu ihnen gehörten auch die Künstler der Burgart-Presse von Jens Henkel, Felix Martin Furtwängler oder Ottfried Zielke.
Zu einem Privatsammler kommt man nicht mit leeren Händen. Also hatte auch ich Künstlerbücher dabei. Nach Kaffee, Kuchen und Gesprächen über alpine Gärten packte ich meinen Bauchladen aus. Er schaute sich alles aufmerksam an, fand es großartig und meinte dann: „Hätte ich Sie einige Jahre vorher kennen gelernt, hätte ich alles von Ihnen gekauft. Nun bin ich aber zu alt, um dort noch einzusteigen.“ Das Fatale daran war, dass er einfach die Wahrheit sagte. Es war keine Strategie von ihm, keine Entschuldigung oder ein fragwürdiger Trost für mein misslungenes Geschäft.
In den letzten Jahren war er mit der Katalogisierung seiner Sammlung beschäftigt. Leider ist das etwas, was viele Privatsammler immer tun wollen, es hinausschieben und dann vorher sterben.
Auf der Buchkunst Weimar im letzten Jahr erschien Victor Günthert überraschend, sprach lange mit vielen Herausgebern und erwarb hier und da etwas. Ich sollte ihm in Mai besuchen, wenn ich in München sein würde. Also rief ich ihn im Mai diesen Jahres an. Da war er zu dem angegebenen Termin in Hamburg. Jetzt fahre ich im November wieder nach München und dachte daran, ihn zu besuchen, bis Cornelia Göbel, die Frau des Privatsammlers Reinhard Grüner anrief und mir mitteilte, dass Victor Günthert am 17. September gestorben ist.
(H.A.)
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