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Freitag, 30. Mai 2014

Mehr Marcus: Einstein


Es macht daher einen sehr merkwürdigen Eindruck, wenn Einstein – von der Denkgewohnheit des Empirismus eingeschränkt – behauptet: das Trägheitsgesetz (das ja in der Erfahrung überhaupt nicht feststellbar ist) sei ein Erfahrungsgesetz, oder bemerkt: das Relativitätsprinzip empfehle sich durch seine „Einfachheit und Natürlichkeit“. Denn dies sind doch Eigenschaften, durch die sich allenfalls junge Mädchen, nicht aber physikalische Thesen empfehlen. Auch die Bedingungen des Relativitätsprinzips sind in keiner Erfahrung darstellbar, können also auch der Erfahrung nicht entnommen sein. Beide Gesetze sind mathematisch-physikalisch und a priori fundiert. 

(Tagebuch, 2. Nov. 1925)

Einstein und Lorentz machten aus dem Licht durch Veränderung der Masse eine Schein-Subordinate, weil es im Michelson-Morley-Experiment als Subordinate auftritt, obwohl es Koordinate ist. Daß also das Licht nicht unter das Subordinaten-Gesetz fällt, liegt an der Hypothese, die dies ausschließt. Ergo ist die Hypothese falsch. Unter keinen Umständen aber das Relativitätsprinzip – denn dieses behauptet nicht,

daß es keine Bewegung gäbe, die nicht unter das Subordinaten-Gesetz falle oder
daß alle Bewegungen darunter fallen müssen;
sondern es sagt hypothetisch:


Wenn eine Bewegung Koordinate ist, so tritt das Relativitätsprinzip mit seinem Additionstheorem ein. Bei Einstein wird also das Relativitätsprinzip gefälscht. 

(Marcus an Hugo Dingler, 28.3.1926)

Ernst Marcus

(weitergeleitet von Dr. Detlef Thiel)




Montag, 26. Mai 2014

Ulrich Woelk, Wellen


ohne Anfang und Ende sagte ich so weit sagte ich zu wissen daß es keine Grenze gibt dort draußen nichts woran man sich festhalten kann nur Blau und wieder Blau und Wellen und wieder Wellen und daß es einfach immer weiter geht sagte ich zu Lisa diese ständige Bewegung wir leben auf dem Boden eines Gefäßes das vom Universum geschüttelt wird das fasziniert mich erfüllt mich mit Ehrfurcht und manchmal sogar religiöser Zuversicht diese Wellen diese endlose Oberfläche ein Spiegel des Ganzen von dem wir ein Teil sind sagte ich damals zu Lisa als ich hier saß an derselben Stelle soweit hier eine Stelle nach zwanzig Jahren noch dieselbe sein kann wie ehedem und ich frage mich was sie jetzt wohl macht manchmal frage ich mich das wann haben wir uns aus den Augen verloren ich kann es nicht sagen wenn ich zurückschaue sehe ich keine Grenzen keine Markierungspunkte nur Zeit und je mehr ich zurückdenke um so rein zeithafter wird diese Zeit aber ich weiß noch daß wir Lisa und ich irgendwann hier saßen und ich über das Meer geredet habe die Weite und daß ich immer wieder herkommen muß ein Seelenritual sagte ich und sie sah hinaus und fands auch schön aber vielleicht doch nicht ganz so bildhaft religiös wie ich oh ja sagte sie ich glaube ich weiß was du meinst keinen Halt keine Grenzen keine Regeln nur Freiheit ja Freiheit war ein Wort daß wir damals so gut verstanden wie kein anderes ein Wort voller Versprechungen ein Abenteuerwort ein Liebeswort ein Duundichwort erstaunlich wie wenige Worte unseren Sehnsüchten damals genügten ich redete noch lange über das Meer und die Weite und die Grenzenlosigkeit und die Wellen und all das die Farbe nicht zu vergessen die Farbe deiner Augen sagte ich was ungefähr stimmte an diesem Tag an einem andern wäre es anders gewesen und eigentlich kann ich mich an die Farbe von Lisas Augen nur noch erinnern weil es so war weil es die Farbe des Meeres war die man nicht vergißt denke ich zwei Farben die einander sehr gleich waren und ich habe geredet bis ich irgendwann nicht mehr geredet habe und wir ineinandergeflossen sind und ich dachte dabei was schaffen all diese Wellen heran was bringen sie mit sich Wasser dachte ich Wasser und Melancholie aber ich wußte ja daß es eigentlich nicht so war daß es eine Illusion war diese Bewegung dieses Strömen aufs Land und die weichen Dünen eine Illusion die durch Nähe und Berührung zustande kommt denn weit draußen da wo die Wellen nur Wellen sind sind sie nur ein Auf und Ab ein ewiges Treten auf der Stelle jede Welle eine Bewegung in sich selbst das wußte ich damals und ich weiß es heute weiß es jetzt da ich hier sitze und mich erinnere so eigenartig blaß an Lisa wie lange waren wir zusammen es mögen ein paar Monate gewesen sein und jetzt sind diese Monate ein Moment am Horizont der Erinnerung ein Punkt den es noch nicht einmal gibt der eine Illusion ist wie der Horizont selbst eine perspektivische Illusion ist die sich auflösten würde wenn man sich verlassen und über sich selbst erheben könnte doch wozu sagte ich damals zu Lisa weil ich mich wohl fühlte in mir selbst als wir sinnlose Figuren in den Sand malten und mit unseren Körpern wieder fortwischten wir lachten und lauschten wie unsere Stimmen im Wind verklangen die Maßeinheit unseres Glücks waren Sekunden das denke ich während ich hier sitze und an Lisa denke zum ersten Mal wieder seit so langem und das Universum zupft an der Saite des Wassers auf das ich hinaussehe und dessen Farbe vielleicht die Farbe von damals ist glaube ich mich zu erinnern vielleicht dieses bestimmte Blau an das ich mich erinnere mehr als an Lisa selbst dieses Blau ohne Anfang und Ende und

(Text aus VOKABELKRIEGER I WASSER, Berlin – Rantum/Sylt 2006)


Montag, 19. Mai 2014

2 x Ernst Marcus

Ernst Marcus, Kritik des Aufbaus (Syllogismus)
 der speziellen Relativitätstheorie.
Und Kritik zur herrschenden Hypothese der Lichtausbreitung.

Die Mittelmäßigen: „Deutschland hat Großes geleistet“. Heine, Mozart, Goethe, Kant und Genossen haben Großes geleistet und ohne, ja gegen Euch Deutsche. Aber das deutsche Gemüt hat doch wohl Großes geleistet? Wie? Z. B. Nibelungenlied, Volkslieder. Nein! Das Volk hat solche Sachen nicht gemacht. Und die es machten, haben erst das sogenannte deutsche Gemüt erzeugt. Aha! Da kommt der Internationale heraus!

Wie? – Nein! Das ist weder national, noch international, weder modern, noch unmodern, sondern wahr! – Ihr mittelmäßigen Liliputaner! Die Koordination mit den Leuten von Brobdingnag ist sehr schmeichelhaft für Euch, aber Ihr habt nichts mit ihnen gemein, als Kopf, Rumpf und Gliedmaßen, obwohl Ihr zufällig auf deutschem Boden in die Welt kamt. Ihr meint aber, weil Ihr Deutsche seid, Ihr wäret auch solche Riesen, hättet auch so ein bißchen deutsches Gemüt und deutsches Genie.

Ernst Marcus: Tagebuch 22.1.1928 (unveröffentlicht)


Von wem ging die Separatistenbewegung im Rheinland aus? Wer organisierte hier? – Offenbar ehrgeizige Herrschsüchtige, die sich zu Gliedern einer neuen Landeshoheit machen wollten, zu Herrschern, zu Regenten. Ohne sie wäre es nicht gegangen. Diese saubere Gesellschaft von Herrschaftsräubern (alias Usurpatoren) ist es, die einen neuen Staat zu gründen lieben. Sie hetzen. Sie wirken auf Leute ein, denen sie materiellen Vorteile vorspiegeln, und das Ideal der Heimatliebe. Und nun frage ich: Wie steht es mit der Feindschaft unter den Nationen? – Ganz dasselbe. Auch hier hetzen, weil sie herrschen oder die Herrschaft nicht verlieren wollen, die Leute von der Herrschsucht. Sie spiegeln Vorteile vor, warnen vor Nachteilen und fabrizieren die Liebe zum Vaterland und zur Nation. Mit diesen Schein-Idealen reißen sie Rechtschaffene mit.

Ernst Marcus: Tagebuch 23.1.1928 (unveröfflenticht)

(weitergereicht von Dr. Detlef Thiel)



Montag, 12. Mai 2014

Türkenstraße 60, München


EINLADUNG
zur Ausstellung im Archive Artist Publications
Hartmut Andryczuk
Odenwald-Odyssee
 
Eröffnung am Freitag 16.5.2014 um 18 Uhr
am Fr und Sa jeweils offen von 12-18 Uhr,
sonst nach Vereinbarung, Telefon 0890 1234530
Ende 7.6.2014
Hartmut Andryczuk berichtet bei der Ausstellungseröffnung über die Odyssee und spricht über die Produktionen des Hybriden-Verlags.
Die Odenwald-Odyssee ist eine Art Logbuch und Langzeitdokumentation vom 30. Dezember 2012 bis zum 29. Dezember 2013. Die tagebuchähnliche Dokumentation beinhaltet noch zusätzlich 14 Originalarbeiten im Stil des Logbuchs, die bei Archive Artist Publications gesondert neben dem Künstlerbuch ausgestellt werden.
Die Themen der Odenwald-Odyssee sind universell:
humanistische Krematorien, 
die Medizin des neo-germanischen Irren Ryke Geert Hamer, 
der Suizid des Internet-Aktivisten Aaron Swartz, 
Aktienjunkies und ihre Prognosen, 
atypische Neuroleptika, 
der Super-Stern VY Canis Majoris, 
eine Künstler-Weltrangliste, 
die Drake-Formel für ausserirdische Zivilisationen etc.
Medizin, Astronomie, Physik, Chemie, Literatur, Kunst, Sport, Psychiatrie, Botanik, Geografie, Ökonomie, Philosophie,Ufologie und Etymologie: die Odenwald-Odyssee präferiert die Grenzbereiche der Wissenschaft und des Alltags.
Hubert Kretschmer
Archive Artist Publications
Türkenstraße 60 UG / 80799 München
tel 089 12345 30
archive-artist-publications.eu / artistbooks.de/blog

Sonntag, 11. Mai 2014

Tote Kapitäne & Meer

Amrumer Pädagogik in der Nähe der Kurklinik Satteldüne
2.5.14 – Fahrradfahrt zu den "sprechenden Grabsteinen" nach Nebel. Tote Kapitäne, wortkarge Friesen, die zeitlebens kaum geredet haben, erzählen nach ihrem Tode ihr ganzes Leben auf hoher See. 
2.5.14/2 – Nebeler Strandhalle. Lausiger Kuchen auf der Terrasse. Aber welch ein Glück, dass die Erde genau im richtigen Abstand zur Sonne steht. 1 Millionen Kilometer weiter weg oder näher dran und alles wäre vorbei.
3.5.14 – Ein Kaninchen im Garten. Abends eine Möwe zwischen den Saunagängen. Nein ich habe nichts zu essen. Und Möwen rauchen weder Eckstein noch Salem. Um Mitternacht wandele ich auf der "Oberen Wandelbahn", bleibe manchmal stehen, um 10 Sekunden lang auf einem Bein zu stehen.
4.5.14 – Es gibt hier Möwen, die ständig "Ficki-Ficki" rufen. Unentwegt - morgens, mittags, abends und sogar nachts: Ficki-Ficki, Ficki-Ficki, Ficki-Ficki – in schnellen und kurzen Sequenzen.
5.5.14 – Touristische Ausflugsfahrt mit dem Amrumer Inselbus, einen zweistöckigen Oldtimer. Wittdün, Stenodde, Süddorf, Nebel, Norddorf. Neue Informationen: die Hügelgräber der Wikinger in Steenodde, der Brand der reetgedeckten Friesenhäuser in den 1920er Jahren in Norddorf und die schönsten Toiletten der Insel im Nebeler Hotel Friedrichs. 
5.5.14/2 – Wenn jemand auf der Insel stirbt, bilden die Windmühlenflügel in Nebel ein Kreuz.
5.5.14/3 – Der Geist von Elisabeth Z. weht über den Wittdüner Dünen und sucht ihren Hybrid-Toyota.
6.5.14 – Chai-Torte im Café Schult, Norddorf.
7.5.14 – Text in einem Café, Wittdün: Schokolade ist Gottes Entschuldigung für Rosenkohl.
8.5.14 – Auf Amrum gibt es keine Unterwäsche. 
9.5.14 – Gegenüber unserer Ferienwohnung Mutter und Tochter. Mutter gehbehindert, Tochter gestresst. Die Mutter wirkt jünger als die Tochter. 

Sprechende Steine: http://de.wikipedia.org/wiki/Sprechende_Steine