Unter dem Einfluss der radioaktiven Verseuchung befand sich auch die Kirche, und ich denke, es war nicht die einzige. Einmal kam der orthodoxe Pfarrer zu uns in die Zone, um die Tempelikonen mitzunehmen. Eine von ihnen wurde besonders verehrt in der Art eines wunderwirkenden Heiligenbildes. Wir messen die Strahlungsintensität der Ikone, sie erweist sich als ziemlich stark. Meine Warnung ist eindeutig: die Ikone darf nicht mitgenommen werden, sie muss in der Zone bleiben. Außerhalb der Zone kann sie Menschen, die sich ihr nähern, verstrahlen. Wir versuchen die Tafel der Ikone reinzuwaschen, aber es bringt nichts. Es war klar: die Ikone war zwei Mal heilig – einmal wegen dem unsichtbaren, geistigen, wunderschaffenden Licht, und ein andermal durch das Leuchten der hohen Strahlung. Kurz und gut gelang es mir nicht, den Vater zu überreden, und er hat die Ikone mitgenommen, sie illegal durch die Absperrung gebracht. Sein Glaube war stark, aber wenigstens wusste er, dass die Ikone außer Heilung auch den Tod bringen kann.
Einige Schlussfolgerungen, die ich nach Abschluss meiner Tätigkeit der Liquidation in der Tschernobylzone gemacht habe.
Die Sinnesorgane und die gewohnheitsmäßigen Verhaltensweisen des Menschen wurden der Prüfung unterzogen. Man muss wieder lernen zu leben, zu essen, zu schlafen und allen einfachen menschlichen Beschäftigungen nachzugehen, man muss nun alles anders tun. Die Augen sehen grüne Gräser, Teiche; die Ohren hören die Vögel. Man will sich ins Gras legen um sich auszuruhen, doch das Gerät zeigt eine hohe Strahlung an, und man darf nicht stehenbleiben, man muss sich von dieser Stelle sehr schnell wegbewegen.
Das andere Bild: Betonwände, irgendwelche hässlichen Schächte, die abscheuliche Landschaft, das Auge will das nicht sehen - diese furchtbare Stelle. Aber die Geräte zeigen an, dass diese Stelle sauber ist, ihr könnt stehenbleiben, um euch zu erholen, neuen Atem zu schöpfen. Es gibt ganz andere Kriterien für die Erholung und für die Arbeit. Es ist wirklich so: traue deinen Augen nicht! Die Regeln für die Kleidung, die Mode, die Schönheit, die Sicherheit. Der weiße nagelneue Anzug, der dir gut passt, kann sich als schmutzig, von einer Minute auf die andere als verseucht erweisen. Wir bemühten uns, in der Zone unsere Speisesäle, den Ort unserer Nahrungsaufnahme, reinzuhalten. Beim Eingang steht ein Einlassgerät, welches anzeigt, dass du schmutzig bist, dass du strahlst. Du gehst wieder zurück, wäschst dich sauber, tauschst die Kleidung, aber das Einlassgerät lässt dich wieder nicht zum Essen durch. Das bedeutet, dass nicht die Kleidung schmutzig ist, sondern du selbst. Gott bewahre, dass dies nicht die Zukunft für uns alle werden wird.
Андрей Дроздов-Рабе
Andreas Amsel-Rabe
Ja: die beiden letzten Sätze geben zu denken... soooo "schön", dass Deutschland (eine Kommission...) nun endlich auf die Suche nach einem Endlager geht....Mein Vorschlag: ab nach Tschernobyl Verstrahltes Grinsen, Wolf
AntwortenLöschen