Detlef Thiel
Maßnahmen des Erscheinens
Friedlaender/Mynona im Gespräch
mit Schelling, Husserl, Benjamin und Derrida
Es geht um die Umkehrung jener „Maßnahmen des Verschwindens“, von denen Salomo Friedlaender/Mynona (1871-1946) im französischen Exil betroffen war, der Deportationen. Nach Jahrzehnten des Vergessenseins beginnt er in einer umfangreichen Werkausgabe wieder zu erscheinen. Als Satiriker und Parodist wurde er seit 1910 bekannt mit oft abgründigen Grotesken, Parodien, Novellen und einem „Unroman“. Philosophisch geprägt von Schopenhauer, Nietzsche und Kant, führt er die alte Denkfigur von Polarität und Indifferenz zu ganz neuem Leben und zu ungeahnten Konsequenzen. Der Mitherausgeber jener Edition stellt in fünf exemplarischen Kapiteln den Philosophen vor. Schelling und seine Nachfolger arbeiteten mit naturphilosophischen Begriffen von Polarität und Indifferenz, wiesen dem Ich, dem Subjekt jedoch keine so zentrale Funk-tion zu, wie Friedlaender das tut. In Husserls Phänomenologie spielt die Polarität eine unreflektierte, naive Rolle. Benjamin war stets ein eifriger und origineller Leser Friedlaender/Mynonas; die zahlreichen Hinweise und Anspielungen werden hier erstmals dokumentiert. Bei Derrida finden sich viele Elemente, die bei Friedlaender in Rohform auftauchen; beide kommen sich am nächsten in der Konfrontation von différance und Schöpferischer Indifferenz. Die Extreme berühren sich, das Identische entzweit sich. Das Buch stellt die polaristischen Denkfiguren zur Diskussion und präsentiert einen der erstaunlichsten Schriftsteller deutscher Sprache.
„So hat diese unbedingte Reinheit & Richtigkeit, Pünktlichkeit des Innens, des ICH, am Außen, am Bruch, an der Differenz, dem Abgrund: an Teilung, Trennung, Wechsel, Zufall denn ihr Übungsmaterial, ihr Nessushemd, ihre Feuerprobe, ihre Folterung.“
Salomo Friedlaender/Mynona
Detlef Thiel, geb. 1957, freier Philosoph; Mitherausgeber der „Gesammelten Schriften“ von Salomo Friedlaender/Mynona (13 Bände bisher); Bücher zu Derrida (1990) und Platon (1993); Aufsätze und Rezensionen zu diesen sowie zu Cusanus, Ficino, F. Bacon, Kant, Husserl, Patočka u. a.
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